Jedes Jahr nutzen über zehn Milliarden Fahrgäste den ÖPNV – zwei Milliarden davon fahren in Bussen und Bahnen der Deutschen Bahn. Das zeigt die enorme Relevanz der öffentlichen Verkehrsmittel. Und es zeigt auch, welches Potenzial hier für die klimafreundliche Verkehrswende liegt.
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem modernen Regionalzug, der Sie vom Hauptbahnhof einer Großstadt nach Hause fährt. Sie kommen von der Arbeit, haben unterwegs am Laptop noch ein paar Dinge erledigt oder ein Buch gelesen. Mit Ihrem Smartphone haben Sie ein Shuttle vorbestellt, das Sie vom Regionalbahnhof abholt und direkt vor Ihre Haustür fährt. Es ist da, wenn Sie ankommen, und Sie müssen sich nicht selbst ans Steuer setzen. Vor allem aber kostet Sie diese Fahrt nichts extra, weil Sie mit einem Flatrate-Ticket unterwegs sind. Und Sie haben dazu noch ein gutes Gefühl, weil Sie umweltfreundlich gereist sind.
Wir treiben das Thema integrierte Mobilität
Auf dieses Ziel arbeiten wir bei DB Regio hin. Wir wollen das Thema „integrierte Alltagsmobilität“ in Deutschland anschieben. Wir wollen öffentliche Verkehrsmittel so intelligent miteinander verknüpfen, dass ein nahtloses Angebot aus einer Hand entsteht – vom Start einer Reise bis zum Ziel. Nur so können wir die Mobilitätswende erreichen und das Klima schützen, so wie wir das mit der DB-Strategie der „Starken Schiene“ vorhaben.
Wie also gehen wir vor? Alltagsmobilität neu zu denken fängt damit an, die Fahrtwünsche unserer Kund*innen besser zu erfüllen. Sie wollen ja nicht von Bahnhof zu Bahnhof fahren, sondern von Tür zu Tür. Also ganz konkret von zu Hause zum Einkaufen oder von der Arbeit ins Kino und dann nach Hause. Genau so flexibel müssen auch die Mobilitätskonzepte sein. Nur dann bietet der ÖPNV eine echte Alternative zum privaten Pkw.
Das ist vor allem auf dem Land eine Herausforderung. Und eine Riesenchance. Denn auf dem Land leben in Deutschland 55 Millionen Menschen. Wenn wir dort ganz gezielt mit kleinen, flexiblen Fahrzeugen arbeiten, die keine festen Routen und Haltestellen haben, dann können wir die Menschen tatsächlich jederzeit vor der Haustür abholen und zum nächsten Bahnhof bringen – wie im eigenen Auto.
Die Schiene und unsere Züge sind und bleiben natürlich das Herzstück der DB im Regionalverkehr. Aber um die erwähnte Flexibilität erreichen zu können, brauchen wir das integrierte Angebot aller Verkehrsmittel. Ohne eine Kombination aus Regionalzügen, S-Bahnen, Bussen und Bedarfsverkehren klappt es mit der Mobilitätswende nicht.
„Mobilitätskonzepte müssen flexibel sein, damit sie eine echte Alternative zum Auto bieten“
Auch Länder und Kommunen wissen, dass eine Kombination aus Linienverkehr und Bedarfsverkehr die Zukunft ist. Es wird in wenigen Jahren einen Mix geben: starke Linien, deren Taktung viel stärker als heute auf den Schienenpersonennahverkehr ausgerichtet ist. Dazu kommen dann ergänzende Linienbedarfsverkehre. Bei DB Regio verbinden wir herkömmliche und neue Mobilitätsangebote zu einem schlüssigen Verkehrskonzept.
Wie integrierte Alltagsmobilität aussehen kann, zeigen wir ab Frühjahr 2024 in einem Modellprojekt in der Schlei-Region in Schleswig-Holstein zusammen mit dem Aufgabenträger NAH.SH und den Landkreisen. Dort wollen wir Linienbusse, flexible On-Demand-Shuttles und auch Leihfahrräder optimal mit dem Schienennahverkehr verbinden. Und das alles CO2-frei.
Das Entscheidende dabei wird sein: Unsere Fahrgäste werden alle diese Verkehrsmittel über eine App auf ihrem Smartphone kombinieren und diese Reisekette dort komplett buchen. Die Nutzung des ÖPNV wird also nicht nur flexibler, sondern auch bequemer. Wir verknüpfen die Verkehrsmittel nicht nur betrieblich miteinander, sondern integrieren sie auch im Vertrieb. Das Ziel ist eine einfache und intuitive digitale Kundenschnittstelle. Genauso, wie es unsere Kund*innen brauchen.
Gamechanger Deutschland-Ticket
Das beste Beispiel dafür ist das Deutschland-Ticket, das wirklich eine Revolution ist. Der ÖPNV ist durch dieses Ticket innerhalb kürzester Zeit so viel einfacher und bequemer geworden. Niemand muss sich mehr Gedanken über Tarifzonen machen. Unsere Fahrgäste können in jeden Regionalzug, jede S- und U-Bahn oder jeden Bus einsteigen. Das hat es in Deutschland noch nicht gegeben!
Seit Einführung des Tickets haben wir bei DB Regio konstant mehr Fahrgäste auf der Schiene. Schon nach dem ersten halben Jahr sind rund 20 Prozent mehr Menschen mit unseren Zügen gefahren. Mehr als 50 Prozent der Fahrgäste von DB Regio sind Deutschland-Ticket-Besitzer*innen. Marktstudien zufolge haben acht bis zehn Prozent der zehn Millionen Abonnenten den ÖPNV neu entdeckt. Ich kann mich an keinen Tarif oder kein neues Produkt im ÖPNV erinnern, das diesen Effekt hatte.
Wir sollten das Momentum für weitere Verbesserungen im ÖPNV nutzen. Denn zum Flatrate-Ticket brauchen wir das entsprechende Angebot. Dazu gehört die erwähnte Verknüpfung der Verkehrsmittel. Dazu gehören aber auch Innovationen – digitale und „anfassbare“ –, um die Fahrt im ÖPNV so angenehm wie möglich zu machen.
Wir bringen Innovationen im Nahverkehr voran
Maßstab dafür sind unsere „Ideenzüge“, in denen wir moderne Innenraumkonzepte zeigen und erproben. In Bayern oder auf der Taunusstrecke fahren wir beispielsweise Pendlerzüge, die Zonen zum Arbeiten oder für Gruppen bieten. Und in unserem Ideenzug City, der eine Konzeptstudie für Metropolregionen ist, lassen sich per Knopfdruck die Sitzbänke wegklappen, um mehr Fahrgäste mitnehmen zu können. Wir werden solche Elemente in hunderte neue Züge übernehmen. Außerdem führen wir auf ersten Strecken im Regionalverkehr Auslastungsanzeigen ein, damit unsere Fahrgäste sehen können, wo freie Sitzplätze sind.
Wir sorgen für verlässlichen Hochleistungsersatzverkehr
Mit dem Anspruch, die Fahrt im ÖPNV angenehmer zu machen, denken wir auch den Ersatzverkehr neu. Wenn wir das Schienennetz modernisieren und die Kapazität erhöhen, sind Baustellen unvermeidlich. Der Verkehr mit Bussen anstelle von Regional- und S-Bahnen darf deshalb keine Krücke sein. Er muss dazu beitragen, unsere Fahrgäste im klimafreundlichen ÖPNV zu halten. In den kommenden Jahren werden die wichtigsten Schienenstrecken generalsaniert und für mehrere Monate gesperrt. Ein hochwertiger und gut organisierter Ersatzverkehr ist dann wichtiger denn je.
Einen solchen Ersatzverkehr werden wir erstmals organisieren, wenn in der zweiten Jahreshälfte die Riedbahn, also die wichtige Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim, gesperrt wird. Wir haben dafür 150 barrierefreie Busse mit einem neuen Fahrgastinfo-System angeschafft. Wir stellen neue Busfahrer*innen ein und werden in Summe mehr als 1.000 Busfahrten pro Tag anbieten. Eine spezielle Wegeleitung und das einzigartige Farbdesign in Verkehrspurpur schaffen die nötige Aufmerksamkeit. Erste Erfahrungen mit einem solchen Ersatzverkehr zwischen Nürnberg und Würzburg zeigen, dass dieses Angebot angenommen wird und wir mehr Fahrgäste im ÖPNV halten können.
Moderner Regionalverkehr geht nur gemeinsam
Es ist viel in Bewegung im Nahverkehr. Das hat auch unsere 2023 erstmals überhaupt ausgerichtete Veranstaltung „Zukunft Nahverkehr“ gezeigt – das größte Event rund um den Nahverkehr, was es je in Deutschland gegeben hat. Dort haben wir neue Fahrzeugkonzepte für Straße und Schiene, integrierte Angebote, aber auch digitale Lösungen gezeigt. Denn der Nahverkehr hat sein verstaubtes Image vollkommen zu Unrecht. Die Branche besteht aus vielen leidenschaftlichen Menschen, die engagiert daran arbeiten, den Nahverkehr noch besser für unsere Kund*innen zu gestalten.
Zukunftsprojekte auf Schiene und Straße zu bringen, geht nur gemeinsam mit unseren Partnern in der Politik und Branche. Denn nur wir alle zusammen – die Politik in Bund, Ländern und Kommunen, die Aufgabenträger, die Verkehrsunternehmen und die Verbände – können den öffentlichen Nahverkehr zukunftsfähig machen.
Dabei geht es um nichts Geringeres als um klimafreundliche Mobilität. Und Mobilität ist ein Grundbedürfnis. Wir fahren in die Schule, zur Arbeit, Einkaufen, wir besuchen Freunde und Familie, wir fahren „raus ins Grüne“ oder „rein in die Stadt“, wir können frei darüber entscheiden, wo wir leben wollen und wo wir hinwollen. Niemand in der Gesellschaft sollte davon ausgeschlossen werden, alle sollen teilhaben können. Alle Menschen sollten Zugang zu Mobilität haben – egal, wo sie wohnen und egal, wie viel Geld sie zur Verfügung haben.
In diesem Sinne verstehe ich Mobilität als ein Grundbedürfnis, dessen Erfüllung täglich fast 30 Millionen Menschen in Deutschland von uns einfordern. Flexibel, bequem, kostengünstig und vor allem klimafreundlich – das ist keine Utopie. Das ist meine sehr konkrete Vorstellung vom öffentlichen Personennahverkehr im Jahr 2030 – machen wir uns endlich an die Arbeit!
Lesen Sie auch:
Artikel als PDF laden