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Eisenbahnrecht

Wissenswerte rechtliche Grundlagen für den Bau und Betrieb von Eisenbahnen

lick auf neuen Gleisanlagen, im Licht einer umweltschonenden Beleuchtungsanlage mit etwa 1.130 LED-Leuchten
Foto: DB AG/Kai Michael Neuhold

Das Eisenbahnrecht hat sich in den vergangenen Jahren dynamisch entwickelt und ist zusehends komplexer geworden. Der Grund hierfür ist nicht zuletzt die Liberalisierung des Eisenbahnsystems seit den 1990-er Jahren und die damit verbundenen Reformen im deutschen und europäischen Recht. Gleichzeitig ist das Eisenbahnrecht auch zu einem wichtigen Thema in der Praxis, zum Beispiel für den Bau und den Betrieb von Eisenbahnen, geworden. Der folgende Artikel gibt einen Überblick zu einigen zentralen Regelungen für das System Bahn in Deutschland.

Die rechtlichen Grundlagen für den Bau und Betrieb einer Eisenbahn finden sich in zahlreichen Gesetzen und Verordnungen. Hier soll lediglich ein kurzer und grober Überblick über einige wichtige Regelungen im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) und in der Eisenbahn- Bau- und Betriebsordnung (EBO) gegeben werden. Die nachfolgende Darstellung stellt eine subjektive Auswahl dar, erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit und kann eine Rechtsberatung im Einzelfall nicht ersetzen.

Definitionen

Das AEG erfasst gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 AEG nur Schienenbahnen in Form der Eisenbahnen. Davon abzugrenzen sind andere Schienenbahnen: Magnetschwebebahnen, Straßenbahnen und der nach ihrer Bau- oder Betriebsweise ähnlichen Bahnen, Bergbahnen und sonstigen Bahnen besonderer Bauart sind keine Eisenbahnen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 AEG); für sie gelten daher andere gesetzliche Regelungen, wie zum Beispiel das Personenbeförderungsgesetz (PBefG).

Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) sind öffentliche Einrichtungen oder privatrechtlich organisierte Unternehmen, die Eisenbahnverkehrsdienste erbringen (§ 2 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 AEG). Solche Eisenbahnverkehrsdienste sind Schienenpersonenfernverkehr, Schienenpersonennahverkehr und Schienengüterverkehr (§ 2 Abs. 2 AEG). EVU müssen die Traktion sicherzustellen (§ 2 Abs. 3 Satz 2 AEG), also über Triebfahrzeuge (Eigentum, Miete oder Leasing) verfügen.

Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) sind öffentliche Einrichtungen oder privatrechtlich organisierte Unternehmen, die Eisenbahninfrastruktur betreiben (§ 2 Abs. 1 AEG). Die Eisenbahninfrastruktur umfasst die Betriebsanlagen der Eisenbahn einschließlich der Bahnstromfernleitungen (§ 2 Abs. 6 AEG).

Betreiber der Schienenwege (BdSW) ist jedes Eisenbahninfrastrukturunternehmen, das für den Bau, den Betrieb und die Unterhaltung der Schienenwege der Eisenbahn, einschließlich Verkehrsmanagement, Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung zuständig ist, mit Ausnahme der Schienenwege in Serviceeinrichtungen (§ 2 Abs. 7 AEG). Der BdSW muss auch den Betrieb der zugehörigen Steuerungs- und Sicherungssysteme sowie die zugehörigen Anlagen zur streckenbezogenen Versorgung mit Fahrstrom zum Gegenstand seines Unternehmens machen (§ 4 Abs. 7 AEG). Betriebsleit- und Sicherheits­systeme sind zum Beispiel die Linienzugbeeinflussung (Betriebsleitsystem), die Induktive Zugsicherung oder die Signalsysteme (Sicherheitssysteme). BdSW sind damit eine Teilmenge der EIU.

Betreiber der Serviceeinrichtungen ist jedes Eisenbahninfrastrukturunternehmen, das für den Betrieb einer oder mehrerer Serviceeinrichtungen zuständig ist (§ 2 Abs. 11 AEG). Serviceeinrichtungen sind die Anlagen, unter Einschluss von Grundstück, Gebäude und Ausrüstung, um eine oder mehrere der in Anlage 2 Nummer 2 bis 4 des Eisenbahnregulierungsgesetzes (ERegG) genannten Serviceleistungen erbringen zu können. Das sind zum Beispiel Personenbahnhöfe, deren Gebäude und Einrichtungen, Güterterminals, Rangierbahnhöfe, Zugbildungseinrichtungen, Abstellgleise, Wartungseinrichtungen, Serviceeinrichtungen in See- und Binnenhäfen sowie die Zusatz- und Nebenleistungen nach Nummer 3 und 4 der Anlage 2 zum ERegG.

 

Grafik
Normenhierarchie in Anlehnung an: Roer (2017)

Baurecht für Bahnanlagen: ­Planfeststellung, Plangenehmigung oder Entfall von beidem

Das Zulassungsverfahren für den Bau oder die bauliche Änderung von Betriebsanlagen einer Eisenbahn (beziehungsweise – gleichbedeutend – „Bahnanlagen“) ist in den §§ 17 bis 22 AEG in Verbindung mit §§ 73 ff. VwVfG geregelt. Die Zulassung erfolgt im Wege der Planfeststellung, Plangenehmigung oder des Verzichts („Entfalls“) hierauf.

Zu den „Betriebsanlagen“ beziehungsweise „Bahnanlagen“ gehören nach § 4 Abs. 1 EBO „alle Grundstücke, Bauwerke und sonstigen Einrichtungen einer Eisenbahn, die unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse zur Abwicklung oder Sicherung des Reise- oder Güterverkehrs auf der Schiene erforderlich sind. Dazu gehören auch Nebenbetriebsanlagen sowie sonstige Anlagen einer Eisenbahn, die das Be- und Entladen sowie den Zu- und Abgang ermöglichen oder fördern“.

Rangierer zwischen den Gleisen auf einem Güterbahnhof
Zu den Bahnanlagen, die zur Abwicklung beziehungsweise Sicherung des Reise- oder Güterverkehrs erforderlich sind, gehören unter anderem auch Güterbahnhöfe (Foto: DB AG/Volker Emersleben)

Beispiele für Bahnanlagen sind etwa in den „Richt­linien über den Erlass von Planrechtsentscheidungen für Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes nach § 18 Abs. 1 AEG sowie der Magnetschwebebahnen nach § 1 MBPlG (Planfeststellungsrichtlinien)“ des Eisenbahn-Bundesamtes aufgeführt (letzter Stand 2/2019, Neufassung voraussichtlich 1. Quartal 2021).

Nicht zu den Bahnanlagen zählen zum Beispiel Fahrzeuge, Wohngebäude für Bahnpersonal, Büroräume in Empfangsgebäuden für bahnfremde Nutzungen, Spielhallen oder Flächen für Einzelhandelsbetriebe in Empfangsgebäuden, wenn diese nicht in erster Linie dem Reisebedarf dienen.

Ein Verfahren nach den §§ 17 ff. AEG findet statt beim Neubau oder der Änderung von Bahnanlagen, nicht aber bei bloßen Unterhaltungs- beziehungsweise Instandhaltungsarbeiten (beachte zudem die Sonderregelung des § 18 Abs. 1 Satz 4 AEG zur Nichtnotwendigkeit eines Verfahrens nach den §§  17ff. AEG). Soweit ein Verfahren nach den §§ 17ff. AEG nicht erforderlich ist, können sich allerdings Genehmigungserfordernisse zum Beispiel nach dem Naturschutz-, Wasser- oder Denkmalrecht ergeben.

Im Planfeststellungsverfahren werden alle von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander abgewogen.

Im Rahmen eines solchen Verfahrens wird auch über notwendige Folgemaßnahmen an Anlagen Dritter (zum Beispiel Verlegung, notwendige Änderungen von Straßen, Versorgungsleitungen) mitentschieden (§ 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG).

Im Rahmen der Planfeststellung erfolgt auch eine gegebenenfalls erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG). Diese umfasst die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens auf die Schutzgüter Menschen, insbesondere die menschliche Gesundheit, Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, kulturelles Erbe und sonstige Sachgüter sowie die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern (§ 2 Abs. 1 UVPG).

Die Planfeststellung hat Konzentrationswirkung, das heißt, daneben sind grundsätzlich keine sonstigen behördlichen Genehmigungen mehr erforderlich. Grundvoraussetzung hierfür ist aber, dass die betreffende Planfeststellung den jeweiligen Sachverhalt auch tatsächlich erfasst und regelt.

Zuständig für die Planfeststellung für Schienenwege von Eisenbahnen des Bundes ist das Eisenbahn-Bundesamt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BEVVG). Für nichtbundeseigene Eisenbahnen richtet sich die Zuständigkeit nach Landesrecht.

Nach Maßgabe des § 25 Abs. 3 VwVfG ist vor Einleitung des Planfeststellungsverfahrens eine sogenannte frühe Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen, soweit es sich um Vorhaben handelt, die nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Belange einer größeren Zahl von Dritten haben können.

Der Vorhabenträger hat im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens die erforderlichen Unterlagen bei der zuständigen Planfeststellungsbehörde einzureichen. Deren Umfang ergibt sich für die Eisenbahnen des Bundes aus den oben genannten Planfeststellungsrichtlinien sowie aus dem „Leitfaden zur einheitlichen Gestaltung von Antragsunterlagen für Infrastrukturvorhaben der Eisenbahn des Bundes (Leitfaden Antragsunterlagen)“, aktuelle Fassung 12/2020.

Nach § 18 Abs. 2 AEG kann die Planfeststellungsbehörde vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses nach Anhörung der betroffenen Gemeinde eine vorläufige Anordnung erlassen, in der vorbereitende Maßnahmen oder Teilmaßnahmen zum Bau oder zur Änderung festgesetzt werden.

An Stelle eines Planfeststellungsbeschlusses kann gemäß § 18b AEG in Verbindung mit § 74 Abs. 6 VwVfG eine Plangenehmigung erteilt werden, wenn

  • mit den Trägern öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird, das „Benehmen“ hergestellt wurde („Benehmen“ bedeutet dabei Gelegenheit zur Stellungnahme, es muss kein Einvernehmen („Einigung“) erzielt werden) und
  • Rechte anderer entweder gar nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt werden oder sich diese Dritten mit der Inanspruchnahme ihres Eigentums oder eines anderen Rechts schriftlich einverstanden erklärt haben.

Ein Entfall von Planfeststellung und Plan­genehmigung ist „in Fällen von unwesentlicher Bedeutung“ möglich. Dies ist nach § 18 in Verbindung mit § 74 Abs. 7 VwVfG insbesondere dann der Fall, wenn

  • andere öffentliche Belange nicht berührt sind oder die erforderlichen behördlichen Entscheidungen vorliegen und sie dem Plan nicht entgegenstehen,
  • Rechte anderer nicht beeinflusst werden oder mit den vom Plan Betroffenen entsprechende Vereinbarungen getroffen worden sind und
  • nicht andere Rechtsvorschriften eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorschreiben, die den Anforderungen des § 73 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 bis 7 VwVfG entsprechen muss.

Zur Ausführung eines planfestgestellten beziehungsweise plangenehmigten Vorhabens nach § 18 AEG ist gemäß § 22 AEG die Enteignung zulässig. Diese wird auf entsprechenden Antrag des Vorhabenträgers durch die nach Landesrecht zuständige Enteignungsbehörde ausgesprochen. Unter den Voraussetzungen des § 21 AEG ist auch eine vorzeitige Besitzeinweisung möglich.

Soweit über die Höhe einer zu leistenden Entschädigung zwischen dem Vorhabenträger und dem Betroffenen keine Einigung erzielt werden kann, entscheidet gemäß § 22a AEG auf Antrag eines der beiden vorgenannten. Beteiligten die nach Landesrecht zuständige Enteignungsbehörde.

Neben der Zulassung nach den §§ 18 ff. AEG sind im Bereich der Eisenbahnen des Bundes auch die Verwaltungsvorschriften des EBA (insbesondere VV BAU, VV BAU-STE) zu beachten.

Zudem bedarf die Eisenbahninfrastruktur im Zuständigkeitsbereich des EBA einer Inbetriebnahmegenehmigung nach Maßgabe der „Verordnung über die Erteilung von Inbetriebnahmegenehmigungen für das Eisenbahnsystem“ (EIGV; vgl. § 1 Abs. 3 EIGV). Dabei sind neben den nationalen Vorschriften grundsätzlich alle einschlägigen Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) zu beachten, soweit nicht eine der Ausnahmen nach den §§ 4 ff. EIGV vorliegt.

Die Genehmigung zum Inverkehrbringen von Schienenfahrzeugen

Das Pendant zur Zulassung der Eisenbahninfrastruktur (Planfeststellung, Plangenehmigung beziehungsweise Entfall von beidem) ist bezüglich der Schienenfahrzeuge die Genehmigung zum Inverkehrbringen nach Maßgabe der §§ 9, 11 ff. EIGV, soweit das Schienenfahrzeug im regelspurigen Eisenbahnsystem im Zuständigkeitsbereich des Eisenbahn-Bundesamtes verkehren soll. Im Übrigen findet eine Abnahme nach § 32 EBO statt.

Die Unternehmensgenehmigung

Nach § 6 AEG ist unter den dort genannten Voraussetzungen für die Erbringung von Eisenbahn­verkehrsdiensten, für die selbständige Teilnahme am Eisenbahnbetrieb als Halter eines Eisenbahnfahrzeuges und für das Betreiben von Schienenwegen, Steuerungs- und Sicherungssystemen oder Bahnsteigen (also bestimmter Eisenbahninfrastruktur) eine Genehmigung, die sogenannte Unternehmensgenehmigung, erforderlich.

Die Voraussetzungen für die Genehmigung sind nach § 6 Abs. 2 in Verbindung mit §§ 6a bis 6e AEG die Zuverlässigkeit des Unternehmens und der für die Führung der Geschäfte bestellten Personen, die finanzielle Leistungsfähigkeit des Antragstellers als Unternehmer und die fachliche Eignung/Fachkunde des Antragstellers und der für die Führung der Geschäfte bestellten Personen.

Die Sicherheitsbescheinigung und die Sicherheitsgenehmigung

Nach Maßgabe des § 7a Abs. 1 AEG § 7a dürfen EVU ohne Sicherheitsbescheinigung und erforderlichenfalls zusätzliche nationale Bescheinigung nicht am Eisenbahnbetrieb auf dem übergeordneten Netz teilnehmen. Sie müssen dafür nachweisen, dass sie ein Sicherheitsmanagementsystem eingerichtet haben, welches den EU-rechtlichen Anforderungen genügt. Außerdem ist nachzuweisen, dass sie die nationalen Anforderungen für den sicheren Verkehrsbetrieb auf dem Eisenbahnnetz erfüllen. Dies gilt auch für ausländische EVU, die in Deutschland am Eisenbahnbetrieb teilnehmen möchten (vgl. hierzu auch den „Leitfaden des Eisenbahn-Bundesamtes gemäß § 4 Abs. 2 Eisenbahn-Sicherheitsverordnung zur Erläuterung der Anforderungen für Sicherheitsbescheinigungen gemäß § 7a Allgemeines Eisenbahngesetz und Auflistung der vorzulegenden Dokumente“, Stand 4/2018).

ICE auf Gleisen im Stadtgebiet
Eisenbahnverkehrsunternehmen benötigen eine Sicherheitsbescheinigung, um am Betrieb auf dem übergeordneten Netz teilzunehmen (Foto: DB AG/Georg Wagner)

Betreiber der Schienenwege benötigen nach § 7c AEG eine Sicherheitsgenehmigung, soweit sie Eisenbahninfrastruktur im übergeordneten Netz (§ 2b AEG) betreiben. Sie müssen dafür nachweisen, dass sie ein Sicherheitsmanagementsystem eingerichtet haben, welches den EU-rechtlichen Anforderungen genügt. Außerdem ist nachzuweisen, dass sie die nationalen Anforderungen für eine sichere Auslegung, Instandhaltung und einen sicheren Betrieb der Schienenwege einschließlich der Steuerungs- und Sicherungssysteme erfüllen.

Das Sicherheitsmanagementsystem

Das Sicherheitsmanagementsystem (SMS) dient insbesondere dazu, die Entwicklung und Verbesserung der Sicherheit des Eisenbahnsystems der Europäischen Union und einen besseren Marktzugang für Dienstleistungen auf dem Schienenweg durch die Harmonisierung der Regulierungsstruktur in den Mitgliedstaaten, die Bestimmung der Zuständigkeiten der einzelnen Akteure des Eisenbahnsystems der Europäischen Union und die Entwicklung gemeinsamer Sicherheitsziele zu schaffen.

Grundlage für das SMS ist die Richtlinie (EU) 2016/798 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über Eisenbahnsicherheit (Ril).

Nach Art. 9 Abs. 1 der Ril führen die „Infrastrukturbetreiber“ (die EIU im Sinne des Art. 3 Nr. 2 der Ril 2012/34/EU) und die „Eisenbahnunternehmen“ (die EVU im Sinne des Art. 3 Nr. 1 der Ril 2012/34/EU) jeweils ein SMS ein, „um sicherzustellen, dass das Eisenbahnsystem der Union mindestens die CST erreichen kann und die in den TSI festgelegten Sicherheitsanforderungen erfüllt und dass die einschlägigen Teile der CSM sowie die gemäß Artikel 8 notifizierten nationalen Vorschriften angewandt werden.“

CST“ sind „Gemeinsame Sicherheitsziele“ (Common safety targets). Sie legen gemäß Art. 7 Abs. 1 der Ril „die Mindestsicherheitsniveaus fest, die das Gesamtsystem und, soweit möglich, die einzelnen Bereiche des Eisenbahnsystems in jedem Mitgliedstaat und in der Union erreichen müssen.

Eine „TSI“ (Technische Spezifikation für die Interoperabilität) ist nach Art. 3 Nr. 4 der Ril „eine gemäß der Richtlinie (EU) 2016/797 festgelegte Spezifikation, die für jedes Teilsystem oder Teile davon im Hinblick auf die Erfüllung der grundlegenden Anforderungen gilt und die Interoperabilität des Eisenbahnsystems gewährleistet.“

CSM“ sind „Gemeinsame Sicherheitsmethoden“ (Common safety methods). In ihnen wird gemäß Art. 6 Abs. 1 der Ril beschrieben, „wie die Sicherheits­niveaus, die Erreichung der Sicherheitsziele und die Einhaltung der anderen Sicherheitsanforderungen beurteilt werden, gegebenenfalls auch durch eine unabhängige Gutachterstelle“.

Das SMS ist das anerkannte Instrument zur Risikokontrolle. Dabei sollen „die von einem Infrastrukturbetreiber oder einem Eisenbahnunternehmen eingerichtete Organisation und die von ihm getroffenen Vorkehrungen und festgelegten Verfahren (…) die sichere Steuerung seiner Betriebsabläufe gewährleisten“ (vgl. Art. 3 Nr. 9 der Richtlinie).

Es ist von den betroffenen Unternehmen nach Art. 9 Abs. 2 der Ril in allen wichtigen Elementen zu dokumentieren. Insbesondere wird die Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Organisation des Infrastrukturbetreibers oder des Eisenbahnunternehmens beschrieben. Es zeigt, auf welche Weise die Geschäftsleitung die Kontrolle in den verschiedenen Bereichen sicherstellt, das Personal und seine Vertreter auf allen Ebenen einbezogen werden und die fortlaufende Verbesserung des Sicherheitsmanagementsystems gewährleistet wird.

Die Grundelemente eines SMS sind in Art. 9 Abs. 3 der Ril beschrieben.

Betriebssicherheit aus rechtlicher Sicht

Nach § 4 Abs. 1 AEG müssen Eisenbahninfrastrukturen und Fahrzeuge den Anforderungen der öffentlichen Sicherheit an den Bau zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme und an den Betrieb genügen.

Nach § 4 Abs. 3 AEG sind die Eisenbahnen (gemeint: EIU) und Halter von Eisenbahnfahrzeugen verpflichtet, ihren Betrieb sicher zu führen und an Maßnahmen des Brandschutzes und der Technischen Hilfe­leistung mitzuwirken. Eisenbahnen (gemeint: EIU) sind zudem verpflichtet, die Eisenbahninfrastruktur sicher zu bauen und in betriebssicherem Zustand zu halten.

ICE fährt am geschlossenen Bahnübergang mit wartendem PKW
Die Eisenbahnen sind verpflichtet, betrieblichen Gefahren mit allen technisch möglichen und zumutbaren Mitteln zu begegnen (Foto: DB AG/Kai Michael Neuhold)

Eine ähnliche Verpflichtung enthält § 2 Abs. 1 EBO. Hiernach müssen Bahnanlagen und Fahrzeuge so beschaffen sein, dass sie den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen. Diese Anforderungen gelten als erfüllt, wenn die Bahnanlagen und Fahrzeuge den Vorschriften der EBO und, soweit diese keine ausdrücklichen Vorschriften enthält, den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Unter „Anerkannten Regeln der Technik“ sind alle auf Erkenntnissen und Erfahrungen beruhenden technischen Regeln zu verstehen, deren Befolgung notwendig ist, um Gefahren auszuschließen, und die in den betreffenden Fachkreisen bekannt und mehrheitlich als richtig anerkannt sind und sich in der Praxis bewährt haben.

Solche „Anerkannten Regeln der Technik“ finden sich zum Beispiel in EN- beziehungsweise DIN-Normen oder dem Regelwerk der Eisenbahnen. Von den „Anerkannten Regeln der Technik“ darf nach § 2 Abs. 2 EBO abgewichen werden, wenn mindestens die gleiche Sicherheit wie bei Beachtung dieser Regeln nachgewiesen ist.

Im Übrigen ist auf die Rechtsprechung zur sogenannte „Allgemeinen Verkehrssicherungspflicht“ zurückzugreifen:

Die Rechtsprechung hat in einer Vielzahl von Entscheidungen den Grundsatz entwickelt, dass derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft – wie zum Beispiel den Eisenbahnbetrieb – geeignete und zumutbare Maßnahmen treffen muss, damit Dritte durch diese Gefahrenquelle nicht zu Schaden kommen. Diese Verpflichtung zu Sicherungsmaßnahmen wird als Verkehrssicherungspflicht bezeichnet. Unterlässt der Verkehrssicherungspflichtige die ihm möglichen und zumutbaren notwendigen Sicherheitsvorkehrungen schuldhaft, so macht er sich im Falle eines Schadens gegenüber dem Geschädigten schadenersatzpflichtig.

Für den Bereich der Eisenbahnen sei hier beispielhaft auf zwei wichtige Entscheidungen hingewiesen:

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Problematik der Eisenbahnsicherheit in einer richtungsweisenden Entscheidung aus dem Jahre 1978 (Urteil vom 10. Oktober 1978, Az.: VI ZR 98 und 99/77 – Versicherungsrecht (VersR) 1978 S. 1163 ff.) umfassend abgehandelt und insbesondere ausgeführt, dass die DB (beziehungsweise allgemein eine Eisenbahn) durch ihren Eisenbahnbetrieb ganz erhebliche Gefahren schafft. Daraus ergebe sich die Verpflichtung, diesen Gefahren mit allen technisch möglichen und zumutbaren Mitteln zu begegnen. Dabei sei aber offensichtlich, dass nicht jedes Risiko ausgeschlossen werden könne. Verkehrssicherheit, die jede Gefahr ausschließt, sei nicht erreichbar. Je größer die Gefahren für die Sicherheit seien, umso höher müssten die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflichten sein. Die Organe der DB (beziehungsweise allgemein einer Eisenbahn) hätten diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die sie nach dem jeweiligen Stand der Technik als verständige, umsichtige, vorsichtige und gewissenhafte Fachleute für das Eisenbahnwesen – erstens – für ausreichend halten dürften, um Personen vor Schäden zu bewahren, und die – zweitens – den Umständen nach zumutbar sind.

In einer ebenfalls wegweisenden Entscheidung hat das OLG Hamm im Jahre 1977 (Urteil vom 07. Juni 1977, Az.: 9 U 5/77) festgestellt, dass Bahnanlagen grundsätzlich nicht eingefriedet werden müssen. Weder nach der EBO noch nach der Lehre von der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht besteht eine allgemeine Verpflichtung, Bahnanlagen einzufrieden. Eine solche Verpflichtung kann – schon aufgrund der Tatsache, dass das unbefugte Betreten ja nach §§ 62, 63 EBO untersagt ist – nur in besonderen Ausnahmefällen, etwa aufgrund einer Auflage in der Planfeststellung, aufgrund Vertrags (zum Beispiel mit einem Anlieger) oder dann bestehen, wenn an Bahnübergängen verhindert werden soll, dass geschlossene Schranken umgangen werden oder auf Bahnhöfen, wenn mit Fehlverhalten von Kindern zu rechnen ist und unbefugtes Betreten nur durch eine Absperrung verhindert werden kann.

Allerdings kann jedenfalls nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere bei Vorliegen einer besonderen Gefährdungssituation, ausnahmsweise dennoch eine Verpflichtung zur Einfriedung von Bahnanlagen bestehen.

Diese Sichtweise wurde auch vom BGH bestätigt (Urteil vom 14. März 1995, Az.: VI ZR 34/94).

 

 


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