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Darmstädter Symposien zum Bahnverkehr

Wie das System Bahn schneller wachsen könnte

Foto: DB/Andreas Varnhorn
Foto: DB/Andreas Varnhorn

Mit dem Scientific Railway Signalling Symposium und dem Eisenbahntechnologischen Kolloquium hat die Technische Universität Darmstadt zwei Veranstaltungen an der Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis im Programm, die als Wegmarken für die Weiterentwicklung des betrieblich-technischen Bereichs der Bahnen gelten können. In Darmstadt standen im Mai unter anderem die Themen Digitalisierung und Deutschlandtakt im Mittelpunkt.

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Jeweils etwa 80 Teilnehmende waren dem Ruf der TU Darmstadt ins Lichtenberg-Haus gefolgt, um an zwei Tagen zunächst dem Scientific Railway Signalling Symposium (SRSS) und am darauffolgenden Tag dem Eisenbahntechnologischen Kolloquium (ETK) beizuwohnen. Thematisch gekoppelt wurden beide Veranstaltungen von demselben Motto: „Mehr Schiene – mehr Klimaschutz. Wie kann die Bahn das wachsende Verkehrsaufkommen nachhaltig meistern?“

Scientific Railway Signalling Symposium

Wie die Leit- und Sicherungstechnik (LST) zur Bewältigung des wachsenden Verkehrsaufkommens beitragen könnte, war die Leitfrage auf dem SRSS. Nach der Eröffnung von Gastgeber Professor Dr.-Ing. Andreas Oetting führten zwei Vorträge aus der Perspektive der DB Netz AG die Teilnehmenden in die Thematik ein: Dr. Bernd Elsweiler referierte zum Stand der Umsetzung der Digitalisierung beim größten europäischen Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Und Roman Treydel ging im Anschluss unter dem Vortragstitel „LST auf dem Weg zur Single European Railway Area“ auf die internationale Dimension des Digitalisierungsthemas ein.

Elsweiler skizzierte die Eckpunkte des Programms „Digitale Schiene Deutschland“, das auf dem gesamten staatlichen Schienenstreckennetz den Rollout des Zugbeeinflussungssystems European Train Control System (ETCS) und Digitaler Stellwerke (DSTW) beschleunigen soll.

Infrastrukturseitig hob er dabei die flächendeckende Einführung von ETCS Level 2 ohne Signale und die Inbetriebnahme von DSTW sowie die Einführung des 5G-Bahnfunks hervor. Fahrzeugseitig werde ein Fahrbetrieb mit einem Spektrum von halbautomatisiert plus Triebfahrzeugführer (Tf) bis vollautomatisiert ohne Tf (Automatic Train Operation – ATO, Grade of Automation – GoA 2/4) inklusive Umfelderkennung und moderner Funkausrüstung angestrebt. Perspektivisch hinzu würden das Fahren in minimalen Abständen (zum Beispiel via Moving Block) und eine automatisierte Kapazitäts- und Verkehrssteuerung kommen.

Folgende laufende Projekte zeigten den Programmfortschritt auf:

  • die Inbetriebnahme des ersten DSTW auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke in Meitingen-Mertingen,
  • die Entwicklung des Digitalen Knotens in Stuttgart,
  • das digitale Testfeld im Erzgebirge und
  • der Launch der Digitalen S-Bahn Hamburg.

Elsweiler stellte unter anderem in Aussicht, dass die Inbetriebnahme seriennaher DSTW bis 2024 und der Flächenrollout von DSTW und ETCS bis 2030 erfolgen soll, betonte aber auch, dass die Entwicklungszyklen und Zulassungsprozesse beschleunigt werden müssen.

Beide Veranstaltungen fanden im Darmstädter Georg-Christoph-Lichtenberg-Haus statt
Beide Veranstaltungen fanden im Darmstädter Georg-Christoph-Lichtenberg-Haus statt (Foto: Bahn Fachverlag)

Europäische Zusammenarbeit

Roman Treydel stellte in seinem Vortrag die zentralen Initiativen auf internationaler Ebene vor, um ein gesamteuropäisches Bahnsystem zu schaffen, namentlich die LST-Standardisierungsinitiative RCA (Reference CCS Architecture) und das Technologieprogramm Europe´s Rail Joint Untertaking (ERJU). Diese und andere Initiativen gäben einem zukünftigen europäischen Bahnsystem einen technischen Rahmen vor, wie die Umsetzung in die Praxis aussehen werde, sei aber noch offen, sagte Treydel.

In der anschließenden Diskussion betonte Elsweiler noch einmal die zentrale Bedeutung der europäischen Perspektive: „Es wäre ein historischer Fehler, wenn es keine Zusammenarbeit der EU-Bahnen in dieser Frage geben würde. Die EU-Kommission hat das glücklicherweise verstanden.“

Auf dem SRSS folgten nach bewährtem Muster weitere Vorträge, unter anderem zu den Themen ETCS, Building Information Management (BIM) in LST-Projekten, Sensorik und Kapazitätsplanung. Beiträge aus der Forschung bezogen sich zum Beispiel auf die Zugvollständigkeitserkennung, Cyber Security und automatisierte ETCS-Planung zur Realisierung infrastruktureller Kapazitätsgewinne.

In der Schlussdiskussion hob Dr. Bernd Elsweiler hervor, dass sich der Bereich Forschung und Entwicklung bei den Bahnen in den vergangenen Jahren positiv entwickelt habe. Die Unterstützung aus dem Sektor sei spürbar, die Zusammenarbeit mit den Hochschulen funktioniere und auch die Deutsche Bahn könne ihre Bedarfe inzwischen besser artikulieren, sagte Elsweiler.

Professor Dr.-Ing. Andreas Oetting unterstrich in seinem Resümee die zentrale Bedeutung der notwendigen Planungs- und Prozessbeschleunigungen im System Bahn, um die erforderlichen Kapazitätsausweitungen zu erreichen: „Irgendwann ist jetzt“, brachte Oetting diesen Punkt auf eine griffige Formel.

Der Bahn Fachverlag war Medienpartner des SRSS und des ETK
Der Bahn Fachverlag war Medienpartner des SRSS und des ETK (Foto: Bahn Fachverlag)

Eisenbahntechnologisches Kolloquium

Auf der Eröffnung des ETK am folgenden Tag griff Oetting ebendiesen Gedanken wieder auf und betonte die Bedeutung eines schnellen Kapazitätsausbaus. Die Wachstumsprognosen für die Verkehrssysteme würden inzwischen eintreten, und die Aufgaben seien enorm. So würde eine Reduzierung des Straßenverkehrs um 10 Prozent grob geschätzt eine 50-prozentige Erhöhung der Kapazität auf der Schiene bedeuten, sagte Oetting.

Wolfgang Bohrer, Leiter Infrastrukturplanung und -projekte bei der DB AG, erläuterte die Herausforderungen, vor denen das System Bahn steht, und stellte den ETK-Teilnehmern in diesem Zusammenhang die DB-Dachstrategie Starke Schiene vor. Eine Verdoppelung der Passagierzahlen im Fernverkehr auf 260 Millionen und 1 Milliarde zusätzliche Passagiere im Nahverkehr sehe diese vor, und die Frage sei, wie diese Ziele operationalisiert werden könnten, sagte Bohrer.

Einen schnellen Kapazitätsausbau hält der DB-Manager für essentiell, wenn die Schiene diese Ziele erreichen soll. Auch die Planungsverfahren, die von der Vorplanung bis zum Genehmigungsverfahren 15 bis 20 Jahre dauern könnten, müssten dafür deutlich beschleunigt werden.

Bohrer warb außerdem dafür, weiter an einem positiveren Image des Verkehrsträgers Schiene zu arbeiten und forderte, dass es möglich sein müsse, auch die komplexen Vorgänge auf der Schiene und das System Bahn allgemein verständlich zu erklären.

Zukunftsprojekt Deutschlandtakt

Gerade der Deutschlandtakt sei eines, wenn nicht das große Zukunftsprojekt für die Schieneninfrastruktur in Deutschland. Daran ließ Ralf Schweinsberg in seinem Vortrag keinen Zweifel. Grundsätzlich müsse man an den Stellen im Schienennetz investieren, wo die Verkehrswege überlastet seien, sagte der als Ministerialdirigent beim Bundesministerium für Digitales und Verkehr tätige Schweinsberg.

Richtig sei aber auch, dass der Planungs- und Zuweisungsprozess inzwischen an seine Grenzen stoße und stattdessen eine systematische Kapazitätsplanung entwickelt werden müsse. Auch die Realisierung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Gemeinwohlorientierung der Infrastruktur sei eine große Herausforderung.

In diesem Kontext folgten auf dem ETK weitere Vorträge und Diskussionen in Arbeitsgruppen. Der Tenor war dabei eindeutig: Der Ausbau der Kapazität des Schienennetzes ist eine Aufgabe der gesamten Branche.

Beim ETK war es Ralf Schweinsberg, der die Sache auf den Punkt brachte: Das erste Mal seit 25 Jahren habe die Bahnbranche die Chance, das System in seiner grundsätzlichen Anlage zu ändern und besser zu machen. Das sei für ihn die Kernaussage, so der Ministerialdirigent.


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