
Vor rund fünf Jahren liefen die Vorbereitungen zur neuen Sicherheitsbescheinigung der DB Regio AG bereits auf Hochtouren. Es galt, die neuen Anforderungen des 4. Eisenbahnpakets der Europäischen Union erstmals im Eisenbahnverkehrsunternehmen umzusetzen. Im folgenden Beitrag wird aufgezeigt, wie sich das erste Sicherheitsmanagementsystem (SMS) der neuen Generation bewährt hat, wie wir die Entwicklungsschritte gesetzt haben, welche Erfahrungen wir gemacht haben und wie wir uns für das neue SMS ab Dezember 2025 ausrichten. Im Rahmen eines Praxisbausteins gibt es in diesem Artikel auch Einblicke in das neue Prüfungskonzept der DB Regio AG im Kontext des SMS.
Die „Sicherheitsrichtlinie (RL (EU) 2016/798 über Eisenbahnsicherheit)“ der EU aus dem Jahr 2016, detailliert untersetzt durch die „Delegierte Verordnung über gemeinsame Sicherheitsmethoden (DVO (EU) 2018/762 CSM SMS)“ aus dem Jahr 2018 sowie zahlreichen Leitfäden der European Railway Agency (ERA) und Interpretationen in Organisationen des Eisenbahnsektors enthalten Anforderungen an das Managementsystem zur Eisenbahnsicherheit – das SMS. Denn ohne SMS keine Sicherheitsbescheinigung (SiBe), ohne die kein Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) Verkehrsdienstleistungen auf dem übergeordneten Schienennetz anbieten darf.
Es ist somit die wichtigste Komponente für den Geschäftszweck eines EVU wie der DB Regio AG, im Personenverkehr die Mobilität unserer Reisenden von A nach B zu garantieren. Die DB Regio AG ist das größte europäische EVU im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und hat somit auch den Anspruch, gewisse Signale zu geben bzw. Standards im Eisenbahnsektor setzen zu können. Diesem Anspruch haben sich DB Regio und das Team Eisenbahnbetriebsleiter (EBL) stets gerne gestellt, und tun dies auch weiterhin Tag für Tag, denn jedes Managementsystem muss von den Menschen, die es anwenden gelebt werden.

Aktionsplan Sicherheitskultur: Umsetzung des 4. Eisenbahnpakets
Zunächst ein Blick zurück. Wie eingangs bereits erwähnt, sind die Normänderungen aus den Jahren 2016 und 2018 entscheidend für die neuen Anforderungen bezüglich des menschlichen Faktors und der Sicherheitskultur (Siku) im Eisenbahnsektor der Union. Als zentralen Ausgangspunkt für die Beantragung der SiBe zum Jahresende 2020 stand mit Beginn des Projekts im Jahr 2019 die neue Sicherheitspolitik der DB Regio AG. Die oberste Leitung hatte bereits sehr früh ein sehr hohes Interesse an der Ausgestaltung des SMS und an der neuen Sicherheitspolitik. Dazu kann man ergänzen, dass der Begriff Sicherheitspolitik – also eine Art Mission Statement (Leitbild) der Unternehmensleitung – bereits in vorherigen Managementsystemen als Anforderung ihren Platz hatte.
Aber die Qualität und Fokussierung der Sicherheitspolitik war nun neugestaltet. Die Aspekte des menschlichen Faktors und der Sicherheitskultur, einschließlich des Umgangs mit Fehlern im System Bahn, wurden neu und konstruktiver geformt. Der Vorstand der DB Regio AG brachte sich intensiv in die Gestaltung ein. Dies kommt unter anderem durch die Mitgestaltung und Anerkennung des Themas, inkl. Unterschrift zum Ausdruck.
Ferner ist der Begriff Sicherheitspolitik in Sicherheitsleitlinien geändert worden, um so eine breitere Akzeptanz im Unternehmen erreichen zu können. Zudem wurden Mitarbeitende intensiv in die neuen Formulierungen der Sicherheitsleitlinien einbezogen, vorwiegend mittels Workshops mit unseren Trainer*innen für Triebfahrzeugführende.
Es steckt also bereits in diesem Dokument eine große Menge an Sicherheitskultur, wenn man so mag, denn es ist nun weitaus mehr, als einfach nur ein Dokument, welches gesetzliche Anforderungen erfüllen soll, mit einem Logo versehen sein muss und die Unterschriften der Vorstände trägt. Vielmehr soll es das gemeinsame Selbstverständnis als Unternehmens-DNA (dient als Metapher für organisatorische Grundbausteine, Kernelemente der Unternehmenskultur) mit sicherheitsrelevanten Aufgaben und Ansprüchen ausdrücken.
Die projektmäßige Bearbeitung der SiBe in mehreren Teilprojekten umfasste sowohl formelle Teilprojekte des Prozessmanagements als auch das Teilprojekt „Aktionsplan Siku“. Darin waren die neuen Anforderungen der „Sicherheitsrichtlinie“ und insbesondere der „Delegierten Verordnung über gemeinsame Sicherheitsmethoden“ zur „Sicherheitskultur“ sowie zu „Menschlichen und organisatorischen Faktoren (MOF)“ gebündelt. Die Bearbeitung erfolgte gestaffelt nach „Quick Wins“ (schnell erzielte Resultate ohne großen Aufwand), mittel- und längerfristig zu tragenden Projektanteilen und Maßnahmen.
Dies führte erfolgreich dazu, dass nach Erteilung der SiBe zum Dezember 2020 eine tragfähige Projektstruktur mit Inhalten und Verantwortlichkeiten bestand und der Änderungsprozess im Unternehmen nahtlos erfolgreich begleitet wurde. Es war klar, dass die Arbeiten am absehbar umfangreichen Änderungsprozess im Unternehmen langfristig sein und Ausdauer erfordern werden. Trotzdem ist es gelungen, die Aktivitäten in der Zentrale und den Regionen derart auszuführen, so dass durch aktive Beteiligung von Entscheidungsträgern, Expert*innen und weiteren operativen Mitarbeitenden eine tiefe Durchdringung des Gedankens der Siku entstand und gestärkt werden konnte.

Vom Projekt zur lebendigen Sicherheitskultur
Auf diesem Weg wurden zunehmend eine Art Schneeballeffekt und eine bessere Verbreitung der eigenen Gedanken und Stoßrichtung im gesamten Unternehmen erreicht. Zum Jahresende 2022 wurde die Projektstruktur aus dem „Aktionsplan Sicherheitskultur“ gestrafft und in Arbeitspaketen bis zum Herbst 2023 weiterbearbeitet. Schrittweise gelangten die Produkte so in die Zuständigkeit der Linienorganisation, jeweils mit Kennzeichnung durch die Marke „Sicherheitskultur@DB Regio Schiene“. Ein Großteil der Treiberfunktion verbleibt selbstverständlich im Bereich des EBL in Verbindung mit starkem Fokus des Managements auf die weiteren Entwicklungen, wie etwa
- der Sicherheitskennzahlen,
- der Siku und
- den allgemeinen Leistungskennzahlen,
wie in EVU üblich.
Die konsequente Bündelung von Produkten im Bereich der Siku erleichtert die oben beschriebene, sukzessive Durchdringung im Unternehmen, denn es kann zunehmend auf bewährte standardisierte und nachweislich adressatengerechte Werkzeuge zurückgegriffen werden. Nachfolgend sind hier wichtige Produkte herausgegriffen.
Ergebnisse aus fünf Jahren intensiver Arbeit
Die Bearbeitung der MOF sowie der Umgang mit Fehlern zum Lernen auch aus bisher unbekannten Vorgängen „unter der Wasserlinie“ oder Beinahe-Ereignissen erfordert neue Herangehensweisen und Produkte. Eingebettet sein muss das Ganze in eine konstruktive Fehlerkultur und einen fairen Umgang auf Augenhöhe. Dies führt dazu, dass erwartbare menschliche Fehler zuvorkommend bewertet und behandelt werden, während absichtliche Regelbrüche, Unterlassungen wiederholte bewusste Fehlhandlungen und Ähnliches konsequent mit Disziplinarmaßnahmen geahndet werden.
Zum Thema MOF gehören etwa:
- Das Aufmerksamkeitsseminar für Triebfahrzeugführende, die damit eine höhere situative Aufmerksamkeit und in Folge auch höhere Handlungssicherheit erreichen und Stress abbauen können.
- Ein Lernen aus Fehlern anderer kann nach eingetretenen Ereignissen durch den Sicherheitsreport erfolgen: eine offene Kommunikation zu stattgefundenen betrieblichen Ereignissen, mit Tipps und Tricks zur Vermeidung eines vergleichbaren Ereignisses in der Zukunft.
Die Führung durch Vorbild mit einem Austauschformat „Sicherheit vor Ort“ (SvO) sowohl bei Zugfahrten als auch in Betriebsstätten, wie Werkstätten der DB Regio AG bietet hier wertvolle Möglichkeiten für Dialoge auf Augenhöhe um das gesamte Themenfeld „Sicherheit“. Die Führungskräfte können die Wichtigkeit der Sicherheit betonen und konkret vorleben.
Die Mitarbeitenden im besuchten Betrieb können ungezwungen ihre Anliegen vorbringen und gegebenenfalls auch kurzfristig Lösungswege und Entscheidungen mit den Führungskräften besprechen und umsetzen. Ziel ist ein gemeinsames Bild über die Sicherheitsleistung der DB Regio AG sowie ein gemeinsames Verantwortungsbewusstsein dafür.
Grundlegende Aspekte des Arbeitens mit MOF sind bei der DB Regio AG in einer umfassenden sogenannten 10-A-Strategie hergeleitet und festgelegt. Die Strategie wird durch einen MOF-Leitfaden sowie eine MOF-Checkliste für alle Anwendenden praktikabel anwendbar. Bei der Ausarbeitung hat die Technische Universität Darmstadt wissenschaftlich unterstützt.
Auf diesem Wege werden erste Anknüpfungspunkte für einen ganzen Strauß von Aspekten gegeben, um bei Änderungen im Eisenbahnsystem oder nach Unfällen oder generell bei der Bewertung und Optimierung von Abläufen, neue Positionen einzunehmen und neue Aspekte einzubeziehen. Der Vorteil ist, dass dabei ganzheitliche Lösungen geschaffen werden können, welche eine einseitige Fokussierung nicht erbringt.
Schließlich gibt es „das anonyme Meldewesen“, dass den Mitarbeitenden im Betrieb die Möglichkeit gibt, Fehler zu melden und auch Beinahe-Ereignisse dazu legen. Die Bearbeitung einschließlich Analyse und bedarfsweise Beantwortung erfolgt dann nach Rücksprache mit dem EBL. Darin besteht die große Chance, proaktiv einen Sicherheitsreport anzufertigen, – so lässt sich schadensfrei aus Fehlern lernen. Als Resümee aus diesen Produkten stets und jährlich Themen im regelmäßigen Aus- und Fortbildungsunterricht zu platzieren, ist notwendig für die Nachhaltigkeit und bringt somit auch mehr Wirksamkeit.

Veränderung von Einstellungen, Verhaltensweisen und gesellschaftlichen Normen
Auch bei DB Regio erfolgt aufgrund der Altersstruktur ein Generationenwechsel im Personal und implizites Wissen (implizites Wissen oder stilles Wissen vom englischen tacit knowledge bedeutet vereinfacht ausgedrückt: „können, ohne sagen zu können, wie“) verlässt mit den ausscheidenden Menschen das Unternehmen. Ein entscheidendes Stück weit kann durch vorgenannte Maßnahmen im Bereich MOF dieses implizite Wissen sichtbar und transferierbar gemacht und an die nächste Generation weitergeben werden – bevorzugt natürlich ohne dass echte Eisenbahnunfälle oder sonstige unerwünschte Ereignisse passieren. Auf diese Weise zahlt sich die Anstrengung und Aktivität im Rahmen des aktuellen SMS bereits spürbar aus.
Maßgebliche Basis für jede gute SiKu ist Vertrauen. Die Menschen haben ein sehr sensibles Verständnis von Fairness und gerechter Behandlung. Der „Fairness-Guide“ ist unser wertvollstes Instrument hierfür. Dabei konnte bereits 2019 auf ein ähnliches Konzept der SBB in der Schweiz zurückgegriffen werden.
Der Fairness-Guide ist ein einfaches Instrument zur Einordnung von Verhaltensweisen im Umgang mit eigenen Fehlern. Dies ist entscheidend, denn es kommt darauf an, wie sich ein Unternehmen im Selbstverständnis einer risikobehafteten Branche mit ihren eigenen Fehlern auseinandersetzt. Die Schaffung einer Redlichkeitskultur im Unternehmen (wichtigstes Fundament für eine funktionierende Siku) bedingt gegenseitiges Vertrauen durch Transparenz. Diese Transparenz wird mit dem Fairness-Guide anhand verschiedener Verhaltensanker in vier Kategorien geschaffen.
Durch diese Vertrauensbasis werden Ergebnisse von Unfalluntersuchungen oder Feststellungen bei Kontrollen am Arbeitsplatz ehrlicher und dadurch die abgeleiteten Maßnahmen deutlich wirksamer. Denn wenn es im Sektor gelingt, die wahren Gründe, Treiber und Ursachen zu finden – auch wenn es zunächst unangenehm scheint, darüber reden zu wollen – erreicht man eine ganz neue Qualität in der Vermeidung von Unfällen und unerwünschten Ereignissen.
Die vielfältige, zielgruppenorientierte Kommunikation ist zwar aufwändig, aber für den nachhaltigen Erfolg einfach unverzichtbar. Hier hat DB Regio in den letzten fünf Jahren eine ganze Menge erreicht und sich auch erstmals mit Formaten beschäftigt, die im allgemeinen Lebenstrend der Gesellschaft zum Standard werden und daher auch in der Belegschaft erwartet werden.
Zwei Beispiele hierfür seien die Podcasts mit dem Eisenbahnbetriebsleiter sowie Schulungsfilme, die mit einem Augenzwinkern von Lokführer für Lokführer auf eigene Initiative hin produziert worden sind.
„Der größte Feind des Fortschritts ist nicht der Irrtum, sondern die Trägheit.
Henry Thomas Buckle
Letzteres Beispiel kommt von der S-Bahn Rhein-Main und trägt den Namen „Uffbasse“ (hessisch für „Aufpassen“). Auch die Herausgabe einer Broschüre mit Zeichnungen der verschiedenen Berufsgruppen in Form einer Schildkröte zur Verdeutlichung aller Leitsätze aus den Sicherheitsleitlinien sorgte für Diskussionen in der Belegschaft, im Wesentlichen über die Bedeutung von Sicherheit, teilweise getragen durch Kritik am Design und die Wahl einer Schildkröte als Botschafterin.
Hier war der Umgang mit der Thematik entscheidend: Der Vorstand stärkte der Kampagne den Rücken und der EBL ging persönlich in die Diskussionen mit den Arbeitenden und Betriebsräten vor Ort. Über das Vehikel der Schildkröte, mag es hier und da auch diskussionswürdig angekommen sein, wurde eine Platzierung des Themas Sicherheit auf eine ganz neue Weise im Unternehmen erreicht.

Regio Exzellenz Board Sicherheitskultur
Dagegen wirken Fachartikel in Zeitschriften wie BahnPraxis B und Deine Bahn oder in internen Schulungsmedien der DB Lernwelt schon fast routiniert. Die neueste Entwicklung ist das „Regio Exzellenz Board Sicherheitskultur“, welches alle bisherigen Werkzeuge und Produkte bündelt und in Kategorien einstuft.
Da die DB Regio AG ein großes Unternehmen ist und die Regionen vor Ort ebenfalls einen verantwortungsvollen Handlungsspielraum haben, ermöglicht das Board, die regional angemessenen und gewollten Maßnahmen zu wählen. Hierbei können auch die verschiedenen Sichtweisen und Schwerpunkte des regionalen Managements berücksichtigt werden und so eine spürbare Gestaltungskraft entfaltet werden.
Praxisbeispiel Theoretische Prüfung für Triebfahrzeugführende ab 2024
Seit einigen Jahren meldeten Prüfende den zunehmenden Eindruck, dass der bisherige Prüfungsaufbau aus schriftlicher und mündlicher Prüfung das Auswendiglernen begünstigen würde. Die Struktur und der Fragenaufbau würde weniger die Überprüfung von Systemwissen „Bahn“ oder den situativen Transfer ermöglichen. Zum Ersterwerb einer Zusatzbescheinigung bei der DB Regio AG sind im theoretischen Teil zwei Prüfungen abzulegen. Diese bestehen aus einer schriftlichen und einer mündlichen Leistung.
Zunächst ein Rückblick auf das bisherige Prüfungsverfahren: Die schriftlichen Prüfungsinhalte wurden automatisiert aus einem Fragenpool, unter Nutzung des Fragenmanagement-Tools (FMT), zusammengestellt. Prüfungsfragen, die in diesem Teil verwendet wurden, sind systemseitig gegen eine erneute Verwendung für den anschließenden mündlichen Teil gesperrt. Die Dauer der schriftlichen Prüfung betrug 90 Minuten, für den mündlichen Prüfungsteil waren 30 Minuten vorgeschrieben.

Verlagerung des Schwerpunkts auf die mündliche Prüfung
Wesentlicher Bestandteil des veränderten Prüfungskonzepts ist die Verlagerung des Schwerpunkts von der schriftlichen auf die mündliche Prüfung. Hierzu wurde die Aufteilung der Prüfungsdauer angepasst. Der schriftliche Teil wurde um 30 Minuten auf insgesamt 60 Minuten gekürzt, die mündliche Prüfung wird um diese halbe Stunde auf eine Stunde verlängert. In Summe werden die 120 Minuten, basierend auf der Triebfahrzeugführerscheinverordnung (TfV), erfüllt. Die DB Regio AG setzt mit der Weiterentwicklung der Prüfungen zum Erwerb der Zusatzbescheinigung Vorschläge der Prüfenden um, die sich aus den Erfahrungen mit dem bisherigen Prüfungsaufbau ergeben haben.
Durch die jetzige ausschließliche Nutzung von Multiple-Choice-Fragen im schriftlichen Teil der Prüfung können zweifelhafte Antworten ausgeschlossen werden. Ebenfalls wird damit die Auswertung der schriftlichen Prüfung vereinfacht. Das Verfahren der schriftlichen Prüfung mit geschlossenen Fragen wurde Anfang 2023 bei der DB Cargo AG eingeführt und hat sich dort etabliert. In enger Abstimmung mit der Prüferstelle der DB Cargo AG wurden Erfahrungswerte aus der Umstellung eingeholt und die Umsetzbarkeit für die DB Regio AG geprüft. Dabei flossen auch die Neuerungen aus der zum 1. Januar 2024 novellierten TfV mit ein.

Integration von MOF in Prüfungen
Mit der Einführung von Prüfungsszenarien soll die mündliche Prüfung den Charakter eines Fachgesprächs erhalten. Das bedeutet, dass Prüfende sich während der Prüfung einen umfangreichen Eindruck über Systemverständnis und das Zusammenwirken einzelner Parameter verschaffen. Die Prüfungsszenarien sind für 15, 30 oder 45 Minuten konzipiert. Es gibt zwei verschiedene Kategorien von Szenarien: Fahrtverlauf und betrieblich-technische Szenarien. Fahrtverlaufsszenarien sind inhaltlich als reale Streckenverläufe abgebildet und beinhalten Fragen zu Signalen, Fahrverhalten, Bedienung von Zugbeeinflussungssystemen sowie situationsbezogenen Unregelmäßigkeiten.
Mittels dieser Szenarien werden Teilnehmende und Prüfende gleichermaßen fiktiv in typische Abläufe im Berufsalltag von Triebfahrzeugführenden versetzt. In den betrieblich-technischen Szenarien werden allgemeine Fragen u. a. zur Fahrzeugtechnik, Zugbeeinflussung, UVV, Kommunikationsregeln, Türsteuerungssystemen und Infrastruktur gestellt. Auch hier unterstützen Bilder und Piktogramme die Fragen. Prüfende wählen verschiedene Szenarien aus, um die 60 Minuten Prüfungszeit zu erreichen. Alles in allem werden mit dem veränderten Verfahren insbesondere die Anforderungen zur Integration von MOF stärker berücksichtigt.
Vorbereitung und Bewertung von Prüfungsleistungen
Im Rahmen der Vorbereitung der Prüfung werden die möglichen Szenarien je nach Erfordernis (Ausbildungsplan) durch zertifizierte Prüfende zusammengestellt. Grundsätzlich besteht jede Prüfung aus einem Fahrtverlauf und mindestens einem weiteren Szenario. Jedes Szenario enthält vorgegebene Fragen, die durch den Prüfenden umformuliert, nicht jedoch thematisch verändert werden dürfen. Das Auslassen einzelner Fragen durch den Prüfenden ist möglich, sofern der Sachverhalt nicht Bestandteil der Ausbildung war.
Für betriebsgefährdende Antworten gelten die Regeln gem. Ril 046.1486 Abschnitt 4. Darunter fallen beispielsweise folgende Antworten: wenn z. B.:
- Fahrzeuge beim Rangieren ohne erforderliche Zustimmung bewegt werden,
- Züge gegen den Haltbegriff ohne Zustimmung des Fahrdienstleiters (Fdl) anfahren,
- Züge am Haltbegriff ohne Zustimmung des Fdl vorbeifahren,
- Züge ohne erforderlichen Abfahrauftrag abfahren
- Aufgaben zum anschließenden Weichenbereich falsch beantwortet werden
Die Einführung des geänderten Prüfungskonzepts wurde mit einer Folge von Online-Terminen sowie Prüfertagungen vorbereitet und begleitet. Rückmeldungen nach Prüfungen ermöglichen die Verbesserung von Fragen. Mit der kontinuierlichen Erstellung neuer Szenarien wird die Vielfalt der Situationen sukzessive erweitertet.
Fazit
Die Arbeit der letzten fünf Jahre hat gezeigt, dass neben regionalen Schwerpunkten auch Tätigkeitsschwerpunkte zu Unterschieden in der Siku führen. Zwischen den Beteiligten im Bahnbetrieb und den Handwerkern in den Werkstätten gibt es eben nun einmal Unterschiede. Die einen fahren und rangieren die Züge bei voller Verantwortung für sich, ihre Reisende und Dritte, die Handwerker arbeiten vorwiegend am stehenden Eisenbahnfahrzeug und haben dabei eine Fülle von Anforderungen zu beachten.
Die Kulturen sind also unterschiedlich und es bedarf einer unterschiedlichen Herangehensweise, um Transparenz und Vertrauen zu schaffen und damit die Sicherheit im Handeln weiter zu stärken. Mit diesen Erkenntnissen geht die DB Regio AG zuversichtlich an die Beantragung der neuen Sicherheitsbescheinigung 2025 heran.
Die Arbeiten an den Prozessaktualisierungen laufen und sind schon weit fortgeschritten und es erfolgt eine Positionsbestimmung der bisherigen Maßnahmen und Produkte, weitgehend über den intensiven Austausch mit Fachleuten anderer Bahnen und anderer sicherheitsrelevanter Sektoren, wie etwa der Luftfahrt bis hin zu Kolleg*innen im Bahnsektor, die aus der Luftfahrt in den Bereich der Bahn gewechselt haben. Auch die Verbindung zur Wissenschaft wird beibehalten, weil sie sich in den letzten Jahren bereits sehr gut in neue Ideen und Produkte hat umwandeln lassen.
Quellen
Richtlinie (EU) 2016/798 des europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über Eisenbahnsicherheit (Neufassung).
Delegierte Verordnung (EU) 2018/762 der Kommission vom 8. März 2018 über gemeinsame Sicherheitsmethoden bezüglich der Anforderungen an Sicherheitsmanagementsysteme gemäß der Richtlinie (EU) 2016/798 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) Nr. 1158/2010 und (EU) Nr. 1169/2010.
Leitfaden Anforderungen an das Sicherheitsmanagementsystem für die Sicherheitsbescheinigung oder die Sicherheitsgenehmigung.
Leitfaden Management-Maturity-Modell.
Verordnung über die Erteilung der Fahrberechtigung an Triebfahrzeugführer sowie die Anerkennung von Personen und Stellen für Ausbildung und Prüfung (Triebfahrzeugführerscheinverordnung – TfV).
Abkürzungen
DVO | Delegierte Verordnung |
EBL | Eisenbahnbetriebsleiter |
ERA | European Railway Agency (Europäische Eisenbahnagentur) |
EU | Europäische Union |
EVU | Eisenbahnverkehrsunternehmen |
FMT | Fragenmanagement-Tool |
MOF | Menschliche und organisatorische Faktoren |
SiBe | Sicherheitsbescheinigung |
Siku | Sicherheitskultur |
SMS | Sicherheitsmanagementsystem Unternehmen |
SPNV | Schienenpersonennahverkehr |
TfV | Triebfahrzeugführerscheinverordnung |
UVV | Unfallverhütungsvorschriften |
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