
Immer mehr Züge fahren auf unseren Gleisen – das fordert das Bahnsystem massiv heraus. Die Leistungsfähigkeit des Schienenverkehrs in Deutschland ist maßgeblich von der Effizienz und Zuverlässigkeit der Leit- und Sicherungstechnik abhängig.
Unsere Leit- und Sicherungstechnik (LST) hat zur Aufgabe, einen störungsfreien, effizienten und sicheren Bahnbetrieb durch das Einstellen der Weichen, das Schalten von Fahrtsignalen sowie das Öffnen und Schließen von Bahnübergängen sicherzustellen. Die Steuerung dieser Bahnanlagen erfolgt über verteilte Schaltanlagen, sogenannte Stellwerke.
Eine moderne, hoch verfügbare Leit- und Sicherungstechnik muss künftig einen der Pfeiler für die Starke Schiene der Zukunft bilden und damit sowohl die Verfügbarkeit als auch signifikant den Durchsatz von Zügen auf derselben Infrastruktur erhöhen – und dies bei gleichzeitig weniger Personaleinsatz.
In Deutschland gibt es aktuell rund 4.000 Stellwerke. Die Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit dieser Stellwerke nimmt ab, sobald sie eine Einsatzdauer von mehr als 30 Jahren überschreiten. Derzeit ist die Hälfte aller Stellwerke in Deutschland mehr als 30 Jahre alt, viele davon über 50 Jahre und noch älter. Dies führt zu einer Zunahme von Störungen, kompletten Ausfällen und hat eine hohe Ineffizienz, weil der Personalbedarf der alten Technik sehr hoch und in Zeiten des Fachkräftemangels nur schwer zu bedienen ist.
Zum einen braucht man für veraltete Stellwerkstechnik mehr Personal, das die Stellwerke bedient. Während ein mechanisches Stellwerk üblicherweise nur einen Bahnhof und damit einen sehr begrenzten räumlichen Kreis steuern kann, reicht die Funktionsweite eines elektronischen Stellwerks (ESTW) bis zu 100 Kilometer, die von digitalen Stellwerksplattformen noch maßgeblich weiter.
Zum anderen erhöht die störanfälligere, alte Technik den Personalbedarf für die Instandhaltung. Hinzu kommt, dass es gerade für besonders alte Technik teilweise keine oder nur schwer zu beschaffende Ersatzteile gibt. Daher spielt die Erneuerung der Stellwerke eine Schlüsselrolle bei der Steigerung der Zuverlässigkeit und Kapazität im Bahnverkehr.
Damit eine zuverlässige und zukunftsorientierte Sicherungstechnik Einzug in das deutsche Bahnsystem finden kann, muss dieses technisch vereinfacht und entbürokratisiert werden. Denn die zunehmende Komplexität der Entwicklungs- und Zulassungsprozesse stellt eine immer größer werdende Herausforderung dar.

Wir benötigen für einen zuverlässigen Zugverkehr mit einer belastbaren Leit- und Sicherungstechnik ein Umdenken auf verschiedenen Ebenen:
Reduzierung von Komplexität und vereinfachte Instandhaltung
Das klassische elektronische Stellwerk, wie es von Ende der 1980er Jahre bis ca. 2010 gebaut wurde, kann dauerhaft die heutigen gestiegenen Anforderungen nicht mehr erfüllen. Aus diesem Grund wurden in den vergangenen Jahren standardisierte Schnittstellen entwickelt, welche schon heute jeden ESTW-Stellwerksneubau zukunftsfähig machen und damit den Anspruch der Digitalisierung erfüllen.
Die Erkenntnisse aus laufenden und abgeschlossenen Projekten, wie dem Digitalen Knoten Stuttgart oder der Generalsanierung der Riedbahn, zeigen auf, dass wir ein besonderes Augenmerk auf Komplexitätsreduktion legen müssen. Bei der Entwicklung neuer Techniken müssen wir die Anforderungen des gesamten Produktlebenszyklus berücksichtigen. Dabei ist der Bau- und Abnahmeprozess – vor allem vor dem Hintergrund begrenzter Prüfkapazitäten – ein erfolgsrelevantes Element.
„Die Modernisierung der Stellwerkstechnik ermöglicht Vereinfachung im Regelwerk und entlastet die Mitarbeitenden im Betrieb
Wir müssen uns auf Ein-System-Lösungen wie z. B. ETCS als alleiniges Zugbeeinflussungssystem konzentrieren. Örtliche Signale im Zug- und Rangierbetrieb müssen generell verzichtbar gemacht werden. Ein paralleler Betrieb von zwei Zugbeeinflussungssystemen oder die Realisierung von Transitionsbereichen verschlechtern zunehmend die wirtschaftliche Bilanz des Eisenbahnsystems und verkomplizieren das technische Zusammenspiel.
Die aus diesen Vereinfachungen resultierenden Effekte tragen dann wiederum dazu bei, dass viele Vorgaben, z. B. der Fahrdienstvorschrift, entfallen können. Dies entlastet die Betriebsführung und führt zur Entflechtung komplexer Vorgaben, welche wir heute aufgrund einer historischen Entstehungsgeschichte mit uns tragen.
Wichtig bleibt dabei aber immer der Blick in die Zukunft: Die flächendeckende Einführung von ETCS als europäisches Zugsicherungssystem wird den Bereich der Fahrzeuge ebenfalls entlasten. Neben den zahlreichen Techniken für die Zugsicherungssysteme in den Triebfahrzeugen fallen viele Vorgaben für die Fahrzeugführenden weg und erleichtern deren Arbeit.
Auf dem Weg in die weitere Digitalisierung der LST soll es uns durch die Einrichtung von Technik- und Bedienzentren zunehmend möglich werden, das System von wenigen zentralen Stellen in der Fläche aus zu managen. Neue Sensoriken werden die Instandhaltung bei der Entstörung unterstützen oder im besten Fall bereits vor einer Störung auf Fehler hinweisen, um dann präventive Maßnahmen einleiten zu können.
Viele dieser Sensoriken befinden sich bereits in den Anlagen und helfen uns, die alte Technik bis zu deren Ablösung handhabbar zu machen. Eine präventive Instandhaltung mit Weichen, die automatisiert Fehler melden können, ist mit den heutigen Stellwerken weitestgehend ausgeschlossen. Der Weg in die digitale Stellwerkstechnik, welche alle diese Funktionalitäten in Zukunft haben wird, ist unabdingbar.

Zentralisierung von Bedienplätzen und Demographiefestigkeit
Unsere heterogene Stellwerkslandschaft ist sehr personalintensiv und erfordert einen hohen Einsatz von Fahrdienstleiter*innen. Diese sind aber eine knappe Ressource – daher haben wir als DB InfraGO AG in den letzten Jahren massiv eingestellt und qualifiziert.
Diese Entwicklung führen wir auch weiter fort. Dennoch entstehen durch demographische Entwicklungen gegenläufige Effekte – dem gilt es entgegenzuwirken. Die Zentralisierung von Bedienplätzen ist hier ein wesentlicher Faktor. In den kommenden Jahren können bis zu 1.000 Einzelbedienplätze zentral gesteuert werden.
Gleichzeitig gibt es signifikant weniger Aufwendungen in Betrieb und Instandhaltung, was positive Effekte hinsichtlich der Demographiefestigkeit mit sich bringt. Der Technologiesprung unterstützt beim Nachbesetzungsbedarf. Es entstehen neue Berufsbilder und neue Arbeitsbedingungen, die es in dieser Form bislang nicht gab. Mit dem Technologiewandel steigt die Attraktivität des gesamten Sektors für junge Ingenieur*innen und Fachkräfte deutlich.
Zusammenarbeit mit Politik und Industrie
In einem, gemeinsam mit der Industrie und in enger Abstimmung mit dem Eisenbahn-Bundesamt in den vergangenen Jahren aufgesetzten Sonderprojekt zur beschleunigten Umsetzung neuer LST-Anlagen, ist es uns gelungen, deutliche Vereinfachungen in den Planungs- und Bauprozessen zu erreichen. Gemeinsam mit den Ministerien und dem Eisenbahn-Bundesamt arbeiten wir auf allen Ebenen daran, die Gesetze und Vorgaben zu verschlanken und lebbarer zu gestalten.
Denn nur gemeinsam mit dem gesamten Eisenbahnsektor, der Industrie und den Behörden, wird es möglich sein, veraltete LST schneller abzulösen und die Steuerung und Sicherung des Eisenbahnverkehrs in Deutschland wieder auf eine moderne und solide Basis zu stellen.
Fazit
Die Eisenbahninfrastruktur Deutschlands besteht größtenteils aus sanierungsbedürftiger und veralteter Technik. Das Schienennetz stößt an seine Grenzen – Verspätungen und Zugausfälle sind die Folge.
Doch mit technologischen Innovationen kann die Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit im bestehenden Bahnsystem gesteigert werden – vor allem mit einer standardisierten Leit- und Sicherungstechnik, wie sie außerhalb des Bahnsektors oder bei ausländischen Bahnen bereits zur Normalität gehört. Die DB InfraGO AG stellt sich dieser Herausforderung für eine moderne und wirtschaftliche Infrastruktur.
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