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Verband Deutscher Verkehrsunternehmen

VDV rückt überragende Bedeutung des Themas Personal in den Fokus

Die VDV-Jahrestagung fand 2023 im Congress Center Leipzig statt
Die VDV-Jahrestagung fand 2023 im Congress Center Leipzig statt (Foto: Messe Leipzig)

Über 11.000 offene Stellen gibt es derzeit in der deutschen Verkehrsbranche, aber diese Zahl markiert erst den Anfang eines tiefgreifenden Arbeits- und Fachkräftemangels, vor dem das Land steht. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen hat die Zeichen der Zeit erkannt und stellt das Thema Personal mehr denn je in den Mittelpunkt. Das wurde sowohl auf der 2. VDV-Bildungskonferenz in Frankfurt als auch auf der Jahrestagung des Verbands deutlich, die in diesem Jahr in Leipzig stattfand.

Die Fakten sind seit langem bekannt, und auch die Auswirkungen in der Verkehrsbranche inzwischen deutlich zu spüren: Deutschland ist in einen veritablen Arbeits- und Fachkräftemangel geraten, der – durch demographische Faktoren bedingt – an Fahrt aufnehmen und im Jahr 2030 seinen Höhepunkt erreichen wird.

Derzeit sucht die Branche über 11.000 neue Mitarbeitende. Jeder vierte der derzeit in den Verkehrsunternehmen Werktätigen – 80.000 an der Zahl – wird die Branche bis 2030 altersbedingt verlassen. Bereits im vergangenen Jahr hat laut der VDV-Branchenumfrage „Personal 2023“ jedes zweite Unternehmen den Fahrbetrieb wegen personeller Engpässe zumindest zeitweilig einschränken müssen. Bei der VDV-Jahrestagung im Juni in Leipzig hat der Verband außerdem die Ergebnisse seiner 2.Branchenumfrage „Personalbedarf bei den Güterbahnen in Deutschland“ vorgelegt: Demnach könnten die Güterbahnen 50 Prozent mehr Aufträge annehmen, wenn nicht der Fach- und Arbeitskräftemangel wäre.

„Die Frage, ob wir künftig unsere in den Ruhestand gehenden Kolleg*innen ersetzen und halten sowie zusätzliche Fach- und Arbeitskräfte gewinnen können, wird die größte von allen werden – wissend, dass es auch bei den Finanzen, dem rollenden Material, bei der Infrastruktur und der Digitalisierung große Baustellen gibt“, bringt Harald Kraus, Vorsitzender des VDV-Personalausschusses und neu gewählter Vorstandsvorsitzender der VDV-Akademie, das Problem auf den Punkt.

Strukturwandel

Die Verkehrsbranche hat inzwischen erkannt, dass es mit den herkömmlichen Mitteln und Methoden nicht gelingen wird, die entstandenen und entstehenden personellen Lücken zu stopfen, zumal die Branche mitten in einem Strukturwandel steht, der durch die „drei großen D´s“ markiert wird: Neben der Demographie sind dies die Digitalisierung und die Dekarbonisierung. Unter dem Strich steht die Branche vor einem Schwenk von der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit zu einem Wachstumskurs im Sinne einer nachhaltigen Verkehrswende.

Sowohl auf der VDV-Jahreskonferenz als auch auf den beiden zuvor vom Verband veranstalteten Bildungs- und Fachkräftekonferenzen war bereits erkennbar, welche Maßnahmen die Verkehrsunternehmen ergreifen wollen bzw. bereits ergriffen haben, um dem Arbeits- und Fachkräftemangel in der eigenen Branche entgegenzuwirken.

VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff betonte auf der Jahrestagung die „überragende Bedeutung“, die das Thema Personal für die Branche besitze, und die Notwendigkeit, neue Wege gehen zu müssen. So sei es notwendig, dass die Branche auch im Ausland neue Mitarbeitende akquiriere: „Wir müssen diesen Weg gehen, bei allen Unwägbarkeiten“, sagte Wolff.

Beim Forum Personal und Bildung auf der VDV-Jahrestagung diskutierte Monique Heimann (VDV-Akademie, rechts) mit Alexandra Reinagl (Wiener Linien), Christa Singer (DB Regio), Harald Kraus (VDV/Dortmunder Stadtwerke) und Christian Betchen (Kreisbahn Siegen-Wittgenstein)
Beim Forum Personal und Bildung auf der VDV-Jahrestagung diskutierte Monique Heimann (VDV-Akademie, rechts) mit Alexandra Reinagl (Wiener Linien), Christa Singer (DB Regio), Harald Kraus (VDV/Dortmunder Stadtwerke) und Christian Betchen (Kreisbahn Siegen-Wittgenstein) (Foto: Bahn Fachverlag GmbH)

Maßnahmen

Tatsächlich setzt die Branche große Hoffnungen in die Modernisierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes und auf eine Flexibilisierung der Ausbildungsverordnungen, um als Arbeitsgeber attraktiver zu werden. Neben einem „sachorientierten Umdenken im politischen Raum“ (Harald Kraus) müsste sich dafür allerdings das Tempo der politischen Prozesse in derlei Fragen erheblich erhöhen.

Egal, ob beim Fachkräfteeinwanderungsgesetz, bei der Neuordnung von Ausbildungsberufen oder hinsichtlich eines tragfähigen politischen Beschlusses, auf dessen Basis die Branche das Thema Automatisierung des Fahrbetriebs vorantreiben könnte: Fakt ist, dass die Politik mit dem rasanten wirtschaftlichen Strukturwandel derzeit nicht Schritt zu halten vermag.

Neben der dringend notwendigen Erhöhung des Anteils der Frauen in der Verkehrsbranche, der derzeit lediglich bei 21,5 Prozent liegt, steckt auch in der Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit so genannter bildungsferner Milieus Potenzial in der Gewinnung von Arbeits- und Fachkräften. Nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) waren im vergangenen Jahr erstmals mehr als 2,5 Millionen Menschen in Deutschland im Alter zwischen 20 und 34 Jahren ohne Berufsabschluss. Das sei einer der wichtigsten Gründe, warum der Stellenwert der beruflichen Weiterbildung erhöht werden müsse, merkte zum Beispiel Professor Dr. Michael Heister vom BIBB auf der VDV-Bildungskonferenz an.

Das Congress Center Leipzig bot Besuchern und Ausstellern ein hochmodernes Ambiente mit viel Licht und Platz
Das Congress Center Leipzig bot Besuchern und Ausstellern ein hochmodernes Ambiente mit viel Licht und Platz (Foto: Bahn Fachverlag GmbH)

Weiterbildung

Die Geschäftsbereichsleiterin Berufliche Weiterbildung und Digitales Lernen bei der VDV-Akademie, Monique Heimann, kann das nur bestätigen: Weiterbildung – nicht nur für die großen, sondern gerade auch für die kleinen Unternehmen – erhöhe nachweislich die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen, fördere Innovationen und steigere die Arbeitsgeberqualität. Wichtig sei dabei die Zusammenarbeit aller relevanten Stakeholder, also Betriebsräten, Personalentwicklern, Beschäftigten und – ganz wichtig in ihrer Vorbildfunktion – Führungskräften, betonte Heimann auf der VDV-Bildungskonferenz.

Weiterbildung spielt auch eine wichtige Rolle bei der Individualisierung der beruflichen Wege gerade der jüngeren Mitarbeitenden in den Verkehrsunternehmen. So kann Weiterbildung Berufszweige für Auszubildende im eigenen Unternehmen aufzeigen und einen Beitrag zur Mitarbeiterbindung leisten.

Der Bahn Fachverlag präsentierte den Teilnehmenden der VDV-Bildungskonferenz seine Online-Plattform BFV ELog
Der Bahn Fachverlag präsentierte den Teilnehmenden der VDV-Bildungskonferenz seine Online-Plattform BFV ELog (Foto: Bahn Fachverlag GmbH)

Mitarbeitende

Überhaupt scheint sich die Entwicklung der Fähigkeiten und Bindung der Mitarbeitenden an die Unternehmen zu einem entscheidenden Faktor zu entwickeln: „Mitarbeiterbindung ist das neue Recruiting“, brachte Alexandra Reinagl diese Entwicklung auf der VDV-Jahrestagung auf den Punkt. Die Vorsitzende der Geschäftsführung der Wiener Linien bestätigte den Trend zur Individualisierung und wies darauf hin, dass es zwar richtig sei, dass die Verkehrsunternehmen zum Beispiel akademische Arbeitskräfte mit emotionaler Bindung und der Aussicht auf eine sinnhafte Tätigkeit überzeugen könnten. Für Beschäftigte im Blue Collar-Bereich (Beschäftigte in der Produktion, Arbeitende, etc.) gelte dies aber eher nicht. Diese Zielgruppe lege demgegenüber Wert auf eine ordentliche Bezahlung, gute Rahmenbedingungen und Vorgesetzte, die ihnen auf Augenhöhe begegneten, sagte Reinagl.

Gelichwohl bleibt das Thema Recruiting natürlich ein sehr wichtiges für die Verkehrsunternehmen: Die Deutsche Bahn AG macht seit Jahren vor, wie ein zeitgemäßes Recruiting für Verkehrsunternehmen aussehen kann. Und inzwischen müssen sich die anderen Unternehmen der Branche sicher nicht hinter dem Konzernriesen verstecken. Auch das zeigte die VDV-Jahrestagung deutlich, auf der Katrin Lukas von den gastgebenden Leipziger Verkehrsbetrieben die neue LVB-Rekrutierungsoffensive vorstellte, die die Sinnhaftigkeit und emotionale Bindung der Mitarbeitenden des kommunalen ÖPNV-Unternehmens in den Mittelpunkt rückt.


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