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Analyse

Nachhaltigkeit und Schienenverkehr: Herausforderungen und Perspektiven

Foto: DB AG/Georg Wagner
Foto: DB AG/Georg Wagner

Seit den 1970er Jahren ist es in Politik und Gesellschaft akzeptiert, dass der Schienenverkehr viele Nachhaltigkeitsvorteile gegenüber anderen Verkehrsträgern aufweist. Der Schienenverkehr benötigt weniger Raum als andere Verkehrsträger, er ist bei guter Auslastung sehr energieeffizient und kann heute schon als Zero Emission-System betrieben werden. Bevor auf die Themen Lärm und CO2-Freiheit eingegangen wird, ist die Frage zu behandeln, warum der Marktanteil der Schiene nach wie vor sehr gering ist.

Von den einleitend genannten ökologischen Vorteilen ist in der Praxis bisher kaum etwas als ökonomischer oder auch Image-Bonus angekommen. Nur dass die Stagnation aufgehört hat, kann nicht befriedigen.

Im Personenverkehr ist der Marktanteil mit 8 Prozent in Deutschland marginal und selbst die 20 Prozent in der Schweiz sind zwar größer, aber auch nicht wirklich marktbestimmend. Im Güterverkehr machen wir uns mit der Maßgröße Tonnenkilometer etwas vor. Wenn wir den Umsatzanteil in der Transportlogistik ansehen, ist der Marktanteil mit wenigen Prozentpunkten noch schlechter als im Personenverkehr.

Leistungsfähigkeit und Kapazität

Woran liegt es, dass der Schienenverkehr seine ökologischen Stärken nicht in Markanteilsgewinn umwandelt? Ein großes Problem ist, dass dort, wo die Nachfrage groß ist und aktuell stark wächst, diese nicht befriedigt werden kann. Im Personenverkehr ist das evident, aber im Güterverkehr ist es noch viel krasser.

Der unmittelbare Grund für die reduzierte Leistungsfähigkeit, auch auf den sogenannten überlasteten Schienenwegen, ist das Störgeschehen und die zu geringe oder gar nicht vorhandene Pönalisierung der Sperrdauern bei Baustellen und Stellwerkserneuerung. Hier Abhilfe zu schaffen, sollte innerhalb weniger Jahre machbar sein.

Ein weiterer Grund ist die schlechte Ausnutzung des Lichtraumprofils. Dies betrifft den Personen- wie den Güterverkehr gleichermaßen. Komfortable Doppelstockhochgeschwindigkeitszüge hätten 1.400 Sitzplätze statt heute 918 Plätze im ICE 4 und noch geringere Kosten und geringeren Energieverbrauch je beförderte Person und dieselben Gleisbelegungszeiten. Im Güterverkehr ist es ähnlich krass. Fast alle Güterwagen sind auf das kleine G1-Profil ausgelegt, statt auf das heute bis auf wenige Engstellen vorhandene GC-Profil.

Der LKW ist mit den Megatrailern und mit den Lang-LKW schon viel besser unterwegs, da die Straßeninfrastruktur viel wirklichkeitsnähere Grenzen zieht als die übervorsichtige Schieneninfrastruktur. Die Langfristperspektive des Deutschlandtakts mit Ausbauten zur Kapazitätssteigerung stimmt zwar hoffnungsfroh, aber so lange darf nicht gewartet werden und der Deutschlandtakt würde heute durch das Störgeschehen auch gar nicht funktionieren können.

Spürbare Verbesserungen beim Lärmschutz sind möglich: Umrüstung eines Güterwagens mit Flüsterbremse
Spürbare Verbesserungen beim Lärmschutz sind möglich: Umrüstung eines Güterwagens mit Flüsterbremse (Foto: DB AG/Oliver Lang)

Schienenlärm an der Quelle reduzieren

Ein weiteres ungeschickt angegangenes Problem ist der Bahnlärm. Die Umrüstung der Güterwagen von Graugussbremsklötzen auf Verbundsohlen zeigte, dass spürbare Verbesserungen möglich sind. Aber auf stark belasteten Strecken liegen wir noch immer 15 und mehr Dezibel (dBA) über dem den Anwohnern höchstens zumutbaren Pegel von 55 dBA.

Der heute praktizierte Weg, haushohe Schallschutzwände an Neubau- und Bestandsstrecken zu bauen, kann wegen ihrer Nachteile nicht die Lösung sein, Lärmschutztunnel und anderes wegen der CO2-Emission beim Bau und dem verdoppelten Energieverbrauch bei Durchfahrt erst recht nicht. Am Gleis werden außer Schienenrauheitsbegrenzung an einigen Streckenabschnitten heute gar keine akustischen Maßnahmen umgesetzt und die Fahrzeuge werden in der lautest möglichen Ausführung beschafft, nämlich nach TSI Noise. Lautere Fahrzeuge erlaubt die EU nicht.

Dass es auch anders geht, zeigt die Schweiz auf. Bis 2016 war die Höhe der Lärmschutzwände auf 2 Meter begrenzt. Heute werden gar keine mehr von der Regierung gefördert, sondern wesentlich leisere Fahrzeuge werden von der Industrie gefordert und lärmmindernde Maßnahmen am Gleis werden umgesetzt. Dadurch sind die genannten 15 dB Lärmreduktion in der Schweiz auch ohne Schallschutzwände greifbar. In der Vergangenheit dauerte es stets 10 bis 15 Jahre, bis in der Schweiz geltende Umweltmaßnahmen in auch in Deutschland realisiert wurden. Wollen wir diese Zeitverzögerung auch beim Lärm weiter pflegen?

Ein Weg zur Ablösung des Dieselantriebs: Elektrifizierung von Bahnstrecken
Ein Weg zur Ablösung des Dieselantriebs: Elektrifizierung von Bahnstrecken (Foto: DB AG/Volker Emersleben)

Abschied vom Diesel

Noch fahren in Deutschland über 30 Prozent der Züge mit Diesel und jeder Liter Diesel führt zu 2,7 Kilogramm CO2. Ein weiteres Problem des Dieselbetriebs ist, dass keine Bremsenergierückspeisung möglich ist und Fahrzeugenergie in Wärme umgewandelt wird. Zusammen mit dem schlechten Wirkungsgrad des Dieselmotors ist der Energieverbrauch vor allem im Regionalverkehr sehr viel höher als bei elektrischem Betrieb unter Fahrdraht. Nur bei sehr guter Auslastung erreicht der Dieselbetrieb die dem Schienenverkehr zugeschriebene Energieeffizienz, sonst sind sogar der PKW und der Bus sowieso diesbezüglich besser.

Dieselbetrieb ist zukünftig zu vermeiden. Die Schweizer Regierung schreibt den Bahnen CO2 -Freiheit bis 2030 vor, das Ziel der DB ist es jetzt, 2040 so weit zu sein, die Privatbahnen schweigen sich aus. Diesel kann nach aktuellem Stand durch Elektrifizierung, Batterieantrieb und Wasserstoffantrieb ersetzt werden.

Der Anteil der elektrifizierten Strecken von 61 Prozent auf 75 Prozent bis 2030 zu vergrößern, ist Ziel der Regierung. Aber ist es noch offen, ob dieses Ziel tatsächlich aus Kapazitätsgründen erreicht werden wird. Ein Thema sind auch die sehr alten Oberleitungskonstruktionen. Die im Regionalverkehr oft angewendete RE 100 ist über 70 Jahre alt, mit nur kleinen Optimierungen in der Zwischenzeit. Dass die zwischenzeitlich vorhandenen neuen Auslegungsmethoden zu besseren, kostengünstigeren Ergebnissen führen, davon ist auszugehen.

Elektrifizierungen konstruktionsoffen international auszuschreiben, mit langdauernden Wartungsverträgen wie bei den Fahrzeugen, wäre eine mögliche Beschleunigungsmaßnahme, um Kapazitätsengpässe zu umgehen. Die Idee der vorherigen Bundesregierung, Brennstoffzellen- und Batterieantriebe dem elektrisch betriebenen Streckennetz zuzuschlagen, wäre eine Vernebelungstaktik, die die Reputation der Schiene deutlich schädigen würde.

Brennstoffzellenantriebe bestechen bei einstöckigen Triebwagen durch großes Tankvolumen auf dem Dach mit einer großen Reichweite über 1.000 Kilometern mit einer Tankfüllung, sind jedoch vom Wirkungsgrad her schlechter als Dieselfahrzeuge. Die Brennstoffkosten werden auch mit grünem Wasserstoff sehr hoch bleiben.

Für den Einsatz auf nicht elektrifizierten Streckenabschnitten: Batterietriebzug von Alstom auf einer Testfahrt
Für den Einsatz auf nicht elektrifizierten Streckenabschnitten: Batterietriebzug von Alstom auf einer Testfahrt (Foto: DB AG/Claus Weber)

Aktuell favorisiert werden deshalb Fahrleitungselektrotriebwagen, die mit zusätzlich vorgesehenen Batterien Elektrifizierungslücken um die 100 Kilometer auch im Heizbetrieb im Winter überbrücken können, bevor sie wieder über die Fahrleitung geladen werden müssen. Da das gleichzeitig während der Fahrt geschehen kann, entfallen die beim Auto störenden langen Stillstandzeiten zur Ladung.

Ein neues, aber bereits etabliertes Stromsystem mit 15 kV 50 Hz vereinigt die Eigenschaften sehr kleine Fahrzeug- und kleine Infrastrukturkosten und eignet sich so ideal für Ladeinseln. Das sind Streckenabschnitte nicht nur an Haltestellen, sondern auch davor und danach, insbesondere an Beschleunigungsabschnitten oder Steigungsabschnitten mit hohem Energieverbrauch.

Fazit

Der Schienenverkehr hat ideale Voraussetzungen als nachhaltiger Verkehrsträger im intermodalen Wettbewerb zu punkten. Aber das bisher Erreichte ist bei Weitem nicht hinreichend, um spürbare Verbesserungen im Verkehr insgesamt zu erzielen. Nur durch Zusammenwirken aller Player kann zeitnah in wenigen Legislaturperioden eine Besserung im oben genannten Sinn eintreten.

Packen wir´s an, gemeinsam!


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