Die Ampelkoalition ist gescheitert – so wird es wohl in die Geschichtsbücher eingehen. Doch ist die Ampel auch verkehrspolitisch gescheitert? Auf diese Frage gibt es, wie so oft in der Politik, keine eindeutige Antwort.
Die Ampelregierung hat bahnpolitisch etliches angestoßen und vorangebracht. Damit hebt sie sich deutlich von den Vorgängerregierungen ab, die unter den drei CSU-Verkehrsministern zwar gute Konzepte wie den Masterplan Schienengüterverkehr, den Masterplan Schienenverkehr, den Zielfahrplan Deutschlandtakt oder den „Trans Europ-Express 2.0“ erarbeitet, beim Umsetzungstempo jedoch geschwächelt hatten. Dennoch: Auch bei der Ampel bleiben viele der angestoßenen Reformen unvollständig, teilweise sogar widersprüchlich.
Deutschlandticket
Die für die Bürger*innen spürbarste verkehrspolitische Errungenschaft ist wohl das Deutschlandticket, das den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln radikal vereinfacht und für mehr als 13 Millionen Menschen preislich attraktiver gemacht hat. Damit konnte eine Verlagerung vom Auto auf den öffentlichen Verkehr erreicht werden (Krämer und Mietzsch 2024).
Wenn die ständigen Diskussionen um die Zukunft des Tickets endlich ein Ende fänden, könnte dieser Effekt noch verstärkt und das Ticket weiter verbreitet werden, da Menschen ihre Mobilitätsgewohnheiten nur längerfristig verändern und dafür Verlässlichkeit benötigen.
Investitionen ins Schienennetz
Der zweite große verkehrspolitische Erfolg der Ampel sind die Investitionen ins Schienennetz. Noch nie hat eine Regierung in Deutschland so viel in die Schieneninfrastruktur investiert wie die Ampel in ihrem letzten Regierungsjahr. Wichtig dafür war das Aufbrechen des Finanzierungskreislaufs Straße, so dass 2024 alleine sechs Milliarden Euro Einnahmen aus der Lkw-Maut in die Schiene flossen. Abbildung 1 zeigt den Zuwachs eindrucksvoll: Während die Investitionen in die Fernstraßen nur moderat anstiegen, hat das Schienennetz 2024 Rekordinvestitionen von 17 Milliarden Euro zu verzeichnen, und auch für 2025 waren nach den ursprünglichen Haushaltsplanungen Investitionen in ähnlicher Höhe geplant.
In Anbetracht des Investitionsrückstaus im deutschen Schienennetz von 92,2 Milliarden Euro (DB InfraGO AG 2024) muss dieses Investitionsniveau aber auch in den nächsten Jahren mindestens gehalten werden, um das Schienennetz wieder in einen akzeptablen Zustand zu bringen – ohne dass der ebenfalls überfällige Ausbau der Kapazitäten dabei vernachlässigt werden darf.
Reform des Trassenpreissystems
Der von der Ampel beim Investitionshochlauf gewählte Weg der Eigenkapitalerhöhung macht die Schienen-Nutzung allerdings teurer, weil nach heutiger Rechtslage eine angemessene Rendite für dieses Eigenkapital erwirtschaftet werden muss. Stattdessen ist dringend eine grundlegende Reform des Trassenpreissystems notwendig, die deutlich niedrigere Trassenpreise zum Ziel haben muss – eine Voraussetzung für deutlich mehr Verkehr auf der Schiene.
Die Gründung einer am Gemeinwohl ausgerichteten Infrastrukturgesellschaft ist von der Stoßrichtung richtig und hat die Mär vom „ganz normalen Unternehmen DB AG“ offiziell ad acta gelegt. Mit der Umfirmierung zur DB InfraGO AG ist der Prozess jedoch noch nicht abgeschlossen, sondern es braucht auch ein Konzept für die Steuerung durch den Bund mit überprüfbaren Zielen. Ein wichtiges Element dafür sollte der Infraplan werden, in dem erstmals die tatsächlich zu realisierenden Bauprojekte der nächsten fünf Jahre geplant werden sollten, jährlich rollierend weitergeführt.
Dieser Prozess ist jedoch leider nicht mehr rechtzeitig vor dem Ende der Regierung vollendet worden. Stattdessen gibt es noch immer Fehlanreize und Fehlsteuerung bei der Schieneninfrastruktur, vor allem durch den Zwang zur finanziellen Eigenbeteiligung der DB InfraGO AG an jeder Planung und jedem Bauprojekt. Die Eigenrationalität der Aktiengesellschaft muss jedoch nicht identisch sein mit dem Willen des Bundes.
Beschleunigungskommission Schiene
Ein Teil der Fehlanreize bei der Verwendung von Bundeszuschüssen für den Erhalt des Schienennetzes wurde immerhin durch die Reform des Bundesschienenwegeausbaugesetzes bereits reduziert (Bundesgesetzblatt 2024). Damit wurden in ersten Ansätzen Empfehlungen der von der Allianz pro Schiene initiierten und von der Koalition realisierten Beschleunigungskommission Schiene umgesetzt.
So gilt seit Jahresende 2023 für fast alle Bauvorhaben des Schienennetzes ein „überragendes öffentliches Interesse“. Umgekehrt wurde die Entwidmung von stillgelegten Schienenstrecken deutlich erschwert, die nun nicht mehr ohne weiteres mit neuen Supermärkten oder Kreisstraßen überbaut werden können. Dies kann künftige Reaktivierungen von Schienenstrecken deutlich beschleunigten.
Das gleiche „überragende öffentliche Interesse“ wurde jedoch im gleichen Zuge auch für 138 Autobahnprojekte erklärt. So bleibt die Frage nach den Prioritäten unbeantwortet: Zusätzliche Autobahnen oder der Bau von Schienenstrecken? Haben wir Geld für beides? Gibt es genug Planer*innen? Wer alles gleichermaßen priorisiert, priorisiert nichts.
Die Verkehrsprognose der scheidenden Bundesregierung steht überdies im Widerspruch zum Marktanteilsziel für den Schienengüterverkehr, wurde aber vom Verkehrsminister dennoch zum „Fakt“ erklärt. Deshalb müsse man neue Autobahnen bauen, das Schienennetz aber lediglich im Bestand ertüchtigen. Stattdessen braucht es dringend eine Infrastrukturplanung, die nicht nur aus den Fehlern der Vergangenheit lernt, wo die Entwicklung des Schienenverkehrs regelmäßig unterschätzt wurde, sondern sich endlich an Zielen für eine klimapolitisch gebotene Verkehrsverlagerung statt an fragwürdigen Prognosen orientiert.
Abbildung 2 illustriert das Auseinanderklaffen zwischen dem stetig wachsenden Verkehr auf der Schiene und dem parallel dazu geschrumpften Schienennetz – das aus diesem Grund schon heute an vielen Stellen überlastet ist.
Die Verabschiedung des Moderne-Schiene-Gesetzes zur Umsetzung weiterer zentraler Empfehlungen der Beschleunigungskommission ist dem vorzeitigen Ampel-Aus zum Opfer gefallen, nachdem der Entwurf vorher wochenlang vom Finanzministerium blockiert worden war.
Ausblick
Die nächste Regierung sollte bahnpolitisch am Erbe der Ampel-Regierung anknüpfen, dabei aber konsequent weitergehen mit einer klaren verkehrspolitischen Prioritätensetzung auf den öffentlichen Verkehr. Dazu gehört an erster Stelle die ausreichende Finanzierung sowohl der Instandhaltung als auch des Ausbaus im Schienennetz inklusive der Elektrifizierung und Digitalisierung.
Diese Finanzierung darf aber zukünftig nicht mehr von den jährlichen Haushaltsverhandlungen abhängen, sondern benötigt Verlässlichkeit durch einen mehrjährigen Finanzierungsfonds, der mit dem Infraplan verzahnt werden muss. Zudem braucht es das angekündigte Moderne-Schiene-Gesetz, einen Ausbau des SPNV- und ÖPNV-Angebots insbesondere im ländlichen Raum sowie eine dauerhafte Fortführung und Weiterentwicklung des Deutschlandtickets. So könnte eine neue Regierung den zaghaft eingeschlagenen Kurs in Richtung Verkehrswende verstetigen.
Quellen
Bundesgesetzblatt (2024): Viertes Gesetz zur Änderung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes. Online unter: https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2024/224/VO
DB InfraGO AG (2024): InfraGO-Zustandsbericht Netz und Personenbahnhöfe 2023, Berlin.
Krämer, Andreas/Mietzsch, Oliver (2024): Zukunft Deutschlandticket: Vom Wohlfahrtsgewinn zu neuen Finanzierungsmöglichkeiten. 5. VARI-Forschungsbericht.
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