
Über innovative Ansätze in der Leit- und Sicherungstechnik (LST) und die digitale Transformation des Systems Bahn diskutierten rund 70 Expert*innen auf dem Scientific Railway Signalling Symposium. Die Veranstaltung wurde von den Eisenbahnlehrstühlen der TU Berlin und der TU Darmstadt geplant und fand erstmals in der Bundeshauptstadt statt.
Unter dem Motto „Einfach Fahren! – Digitale Transformation im Spannungsfeld Automatisierung, europäische Standardisierung und schneller Rollout“ fand Ende November 2024 das 7. Scientific Railway Signalling Symposium (SRSS) in Berlin statt. Gastgeber war dabei erstmals der Fachbereich für Bahnbetrieb und Infrastruktur an der TU Berlin unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Birgit Milius. Etwa 70 Teilnehmende waren der Einladung gefolgt und in das TU-Hauptgebäude am Ernst-Reuter-Platz gekommen.
Hintergrund: Das Institut für Bahnsysteme und Bahntechnik an der TU Darmstadt um Prof. Dr.-Ing. Andreas Oetting, bislang alleiniger Organisator, veranstaltet das SRSS inzwischen zusammen mit der TU Berlin. Dementsprechend wird das SRSS von nun an abwechselnd in Berlin und Darmstadt stattfinden.
„Einfach Fahren!“ lautete bereits das Motto des SRSS 2023, und tatsächlich haben sich die Herausforderungen, vor denen die Bahnbranche steht, nicht geändert: Nach wie vor sind sich die Expert*innen einig, dass die „im Rahmen der Verkehrswende angestrebten Kapazitätssteigerungen im Schienennetz“ nur erreicht werden können, wenn „die verfügbare Infrastruktur, der Bahnbetrieb sowie die Leit- und Sicherungstechnik (LST) optimal aufeinander abgestimmt werden“, wie es im SRSS-Programm heißt.
Umgang mit Komplexität
In ihrer einleitenden Keynote veranschaulichte Dr.-Ing. Daria Menzel (CERSS Kompetenzzentrum Bahnsicherungstechnik) anhand der Zulassungsprozesse in der LST die wachsende Komplexität im System Bahn. Die Vision eines einheitlichen EU-Eisenbahnraums und die digitale Transformation des Systems Bahn hätten tiefgreifende Veränderungsprozesse ausgelöst, die tiefsitzende Arbeitsroutinen in Frage stellten. Das sei zum Beispiel der Grund dafür, warum das Thema Unternehmenskultur derzeit so im Fokus stehe, sagte Menzel.
Unter dem Strich sei die Komplexität sowohl in der Entwicklung als auch bei der Zulassung von LST dabei die größte Herausforderung. Wie diese reduziert werden kann, sei die entscheidende Frage, vor der die Bahnbranche stehe. Dagegen erscheine zum Beispiel selbst der demografische Wandel bzw. Fachkräftemangel lösbar(er), zum Beispiel in Folge zunehmender Automatisierung, sagte Menzel.
Ohne Widerspruch im Plenum blieb diese Aussage allerdings nicht: Einige Stimmen aus dem Publikum sprachen sich dafür aus, die Komplexität als gegeben hinzunehmen und zu lernen, damit umzugehen. Birgit Milius vermittelte zwischen diesen beiden Positionen, indem sie darauf verwies, dass die wachsende Anzahl der Rollen im System Bahn in den vergangenen Jahren zweifellos zu einer wachsenden Komplexität beigetragen habe. Eine der entscheidenden Fragen, so Milius, sei in diesem Zusammenhang, wie man angesichts dieser unübersichtlichen Gemengelage eigentlich junge Menschen vom System Bahn überhaupt noch begeistern könne.

Automatisierung im Fokus
Im Anschluss an die erste Keynote folgten beim SRSS zwei parallellaufende inhaltliche Blöcke mit insgesamt zehn Vorträgen. Thematisiert wurden dabei unter anderem Möglichkeiten des automatisierten Fahrbetriebs auf Regionalstrecken bzw. Strecken ohne ETCS, von KI-gesteuerten faseroptischen Sensoren (FOS) oder der Teilautomatisierung von Bauüberwachung und Abnahmeprüfung von LST-Anlagen. Hinzu kamen Präsentationen zu den Themen Lademanagement für Akkuzüge, zu Untersuchungen über Aufprall- und Überfahrerkennung und zu IT-Security.
Eine wichtige inhaltliche Klammer bei den Vorträgen waren Aspekte der Automatisierung: So führt diese unter anderem auch dazu, dass berufliche Funktionen sich elementar ändern. Das verdeutlichte zum Beispiel Justin Adam von der TU in seinem Vortrag, in dem der Wissenschaftler einen Versuch zur „Entwicklung und Realerprobung einer Steuerung über Tablet für Remote Train Control“ vorstellte.
Der Versuch fand im Rahmen des geförderten Forschungsprojekts „ARTE“ („Automatisiert fahrende Regionalzüge in Niedersachsen“) statt, das von der TU Berlin, dem Institut für Systemverkehrstechnik des DLR und dem Unternehmen Alstom realisiert wurde. Teil des Forschungsprojekts war die Erarbeitung neuer Berufsbilder („Remote Operator“, „Zugbegleiter Plus“) für das System Bahn. Das Ergebnis ergab nicht nur den Nachweis der technischen Machbarkeit, Züge via Mobile Device zu steuern, sondern zeigte auch, dass die Projekt-Probanden sich für die Zukunft eine Nutzung vorstellen können, vor allem bei geringen Geschwindigkeiten wie etwa beim Rangieren.
Sicherheit immer mitdenken
Adam räumte auf Nachfrage aus dem Publikum ein, dass im Forschungsprojekt einige sicherheitsrelevante Funktionen (zum Beispiel Sicherheitsfahrschaltung) und Aufgaben von Triebfahrzeugführer*innen (Tf), etwa die Signalerkennung, noch nicht berücksichtigt werden konnten. So sei in den Versuchen immer ein Tf auf dem Zug gewesen, der die Sifa-Taste betätigte, sagte Adam. Prof. Dr.-Ing. Joachim Trinckauf (CERSS) gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass Sicherheit bei innovativen Verfahren nicht nachträglich eingebaut, sondern von Beginn an immer mitgedacht werden müsse.
Auf das Thema Security kam Bernd Elsweiler (DB InfraGO) in der zweiten Keynote und dem abschließenden Vortrag des SRSS 2024 zu sprechen: Anhand der Inbetriebnahme des Digitalen Stellwerks Meitingen-Mertingen betonte Elsweiler die zentrale Bedeutung der Integration von Sicherheitsaspekten in alle Phasen der Softwareentwicklung („Security by design“). Dies sei ihm erst vor wenigen Wochen noch einmal in aller Deutlichkeit bei einem Gespräch mit einem TK-Experten von der polnischen Staatsbahn PKP vor Augen geführt worden, dessen Land bekanntlich direkt an das Territorium der kriegsgebeutelten Ukraine grenzt. Insofern sei es ein zentraler Punkt des Projekts gewesen, dass auch Security-Anforderungen bei der Inbetriebnahme mitberücksichtigt wurden, sagte Elsweiler.
Fazit
Unter dem Strich war das 7. IRSS insgesamt und das erste in Berlin eine erfolgreiche Veranstaltung an der Schnittstelle von Wissenschaft, Industrie und Praxis. Für das kommende IRSS wird derweil wieder das Institut für Bahnsysteme und Bahntechnik an der TU Darmstadt die organisatorische Federführung übernehmen. Es findet am 24. September 2025 statt.
Lesen Sie auch:
Artikel als PDF laden