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Im vergangenen Jahr haben wir in verschiedenen Beiträgen über die Bahnreform 1994 in Deutschland berichtet und dabei sowohl Befürworter als auch Kritiker zu Wort kommen lassen. In den letzten 30 Jahren hat es zahlreiche Veränderungen im deutschen Schienenverkehr gegeben. Dabei wurden auch viele Entscheidungen gefällt, die sich nicht immer günstig auf die Entwicklung des Eisenbahnverkehrs ausgewirkt haben. Insbesondere die Vorbereitung des Börsengangs und dessen Absage hat zu strukturellen und auch finanziellen Herausforderungen geführt, die bis heute Auswirkungen auf die einzelnen Gesellschaften der DB AG haben. Im abschließenden Beitrag dieser Reihe werfen wir einen Blick auf die zurückliegenden 30 Jahre.
Die Bahnreform war ein bedeutender Schritt, der die Struktur und den Betrieb des Schienenverkehrs grundlegend veränderte. Diese Reform war nicht nur eine Reaktion auf die politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten der damaligen Zeit, sondern auch eine strategische Entscheidung, um die Deutsche Bahn zukunftsfähig zu machen.
Hintergründe der Bahnreform
Die Wurzeln der Bahnreform reichen bis in die späten 1980er Jahre zurück, als die Deutsche Bundesbahn (DB) und die Deutsche Reichsbahn (DR), die beiden staatlichen Bahngesellschaften der damaligen Bundesrepublik Deutschland (BRD) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), vor enormen Herausforderungen standen.
Die Notwendigkeit einer Modernisierung und Effizienzsteigerung wurden immer deutlicher. Die Schieneninfrastruktur war veraltet, und die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Verkehrsträgern, insbesondere dem Straßenverkehr, stark eingeschränkt. Ein weiterer entscheidender Faktor war die Wiedervereinigung Deutschlands im Jahre1990. Die Integration der beiden Bahnsysteme stellte eine enorme Herausforderung dar. Die Bundesregierung erkannte, dass eine Reform notwendig war, um die beiden Systeme zu harmonisieren und gleichzeitig die Qualität und Effizienz des Schienenverkehrs zu verbessern.
Begründungen für die Reform
Die Hauptziele der Bahnreform waren die Schaffung eines wettbewerbsfähigen und kundenorientierten Schienenverkehrs sowie die Entschuldung der Deutschen Bahn. Durch die Gründung der DB AG als privatrechtlich organisiertes Unternehmen sollte der Markt geöffnet werden, um so den Wettbewerb zu fördern und Innovationen voranzutreiben. Die Reform beinhaltete auch die Trennung von Infrastruktur und Betrieb, was bedeutete, dass die DB-Infrastrukturgesellschaften (zu dem Zeitpunkt die DB Netz AG und DB Station&Service AG) für die Schienenwege und Bahnhöfe verantwortlich waren, während die Verkehrsunternehmen (damals die DB Regio AG, DB Reise&Touristik AG und DB Cargo AG) den Zugbetrieb übernahmen.
Ein weiterer Beweggrund war die Notwendigkeit, die Bahn als umweltfreundliche Alternative zu Auto und Flugzeug zu positionieren. Angesichts der wachsenden Herausforderungen des Klimawandels wurde die Förderung des Schienenverkehrs als ein zentraler Bestandteil der Verkehrswende in Deutschland erkannt. Auch sollte ein großer Teil des Verkehrswachstums, der durch die Wiedervereinigung Deutschlands sowie durch die Öffnung der osteuropäischen Grenzen erwartet wurde, über den Verkehrsträger Schiene stattfinden.
Erfolge und Herausforderungen
Die Bahnreform in Deutschland hat in den letzten 30 Jahren nicht nur bemerkenswerte Erfolge hervorgebracht, sondern auch zahlreiche Aspekte, die heute kritisch betrachtet werden. Hier sind einige der wichtigsten Gesichtspunkte:
Modernisierung der Infrastruktur
Die Reform führte in der Anfangszeit der DB AG zu umfangreichen Investitionen in die Infrastruktur. Das Schienennetz wurde modernisiert und ausgebaut, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Zur Erhöhung der Effizienz und Sicherheit des Schienenverkehrs wurden zahlreiche neue Technologien eingeführt.
Stärkung des öffentlichen Verkehrs
Der öffentliche Verkehr muss attraktiver werden, um mehr Menschen zum Umstieg auf die Bahn zu überzeugen. Dazu wurde das Zugangebot erheblich ausgeweitet. Neue Verbindungen, schnellere Züge und ein verbessertes Serviceangebot haben dazu beigetragen, die Attraktivität des Schienenverkehrs zu steigern.
Regulierung und Wettbewerb
Die Liberalisierung des Marktes und die Öffnung für private Anbieter hat zu einer Zunahme des Wettbewerbs sowie zu innovativen Lösungen und verbesserten Dienstleistungen geführt. Die Unternehmen sind nun gezwungen, sich an den Bedürfnissen der Kunden zu orientieren. Der Wettbewerb im Personenverkehr ist nach wie vor begrenzt, da die DB AG hier weiterhin eine dominante Stellung einnimmt. Im Güterverkehr ist der Wettbewerb deutlich stärker ausgeprägt, wenn auch die DB Cargo AG noch Marktführerin ist.
Nachhaltigkeit
Die Bahn hat sich als umweltfreundliche Alternative zu anderen Verkehrsträgern etabliert. Der Schienenverkehr verursacht im Vergleich zu Auto und Flugzeug deutlich weniger CO2-Emissionen, was in Zeiten des Klimawandels von großer Bedeutung ist. Leider wurde der Verkehr auf die Schiene nicht so stark verlagert wie erhofft. Der Straßenverkehr ist weiterhin dominant.
Infrastrukturprobleme
Trotz der Modernisierungen gibt es nach wie vor erhebliche Probleme mit der Schieneninfrastruktur. Verspätungen, Zugausfälle und Engpässe sind Gründe für häufige Beschwerden von Fahrgästen und stellen eine große Herausforderung für die Zukunft dar.
Fokus auf Rentabilität
Die Privatisierung und der Fokus auf wirtschaftliche Effizienz haben in einigen Regionen zu einem Rückgang des Angebots geführt. Insbesondere im ländlichen Raum sind viele Verbindungen eingestellt worden, was die Mobilität der dort lebenden Menschen enorm einschränkt.

Finanzierung
Kritiker argumentieren, dass die finanziellen Mittel oft nicht ausreichend sind und dass bei der Mittelvergabe auch die Prioritäten falsch gesetzt werden. Statt in die dringend benötigte Instandhaltung und den Ausbau des Schienennetzes zu investieren, fließen Gelder möglicherweise in weniger dringliche Projekte. Zudem führte die weiterhin bestehende Abhängigkeit der DB AG von den haushaltspolitischen Vorgaben des Eigentümers in den vergangenen Jahren immer wieder zu massiven Einschnitten bei geplanten und dringend notwendigen Investitionen in den Schienenverkehr.
In der aktuellen haushaltspolitischen Lage scheint eine Steigerung der Investitionen in den Schienenverkehr unwahrscheinlich, da in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur die Infrastruktur der DB AG, sondern auch die Infrastruktur anderer Verkehrsträger sowie die aktuell schwache konjunkturelle Lage erheblichen Investitionsbedarf nach sich ziehen wird.
Fazit
Die Bahnreform hat zu vielen Veränderungen im deutschen Schienenverkehr geführt. Einige der ursprünglichen Ziele wurden dabei erreicht, wie beispielsweise die finanzielle Stabilisierung der Deutschen Bahn AG. Doch trotz vieler Anstrengungen der Mitarbeitenden und des Managements sowie Investitionen in Infrastruktur, neue Fahrzeuge und Techniken sind viele der ursprünglichen Versprechen nicht eingelöst worden. Die DB AG hat noch einen erheblichen Nachholbedarf in allen Belangen und wird diesen in eine aktuell recht ungewisse politische und finanzielle Zukunft mitnehmen.
Alle Beiträge der Artikelreihe „30 Jahre Bahnreform“
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