Die Digitalisierung hilft dabei, die Deutsche Bahn fit für die Zukunft zu machen: neue Tools, neue Konzepte, New Work, New Learning. Doch was bedeutet Digitalisierung eigentlich? Ganz nüchtern betrachtet, zunächst einmal die Umwandlung von analogen Inhalten und Prozessen in eine digitale Form oder Arbeitsweise. Spürbar wird das sowohl im privaten als auch beruflichen Kontext. Der digitale Wandel bietet aber auch neue Möglichkeiten, Dinge anders und effizienter zu gestalten, vernetzt nicht nur Systeme, sondern auch Prozesse und Menschen, fordert und fördert neue Denkweisen und Kompetenzen. Die DB weiß diese Chancen zu nutzen und stellt sich in der Aus- und Weiterbildung zukunftsfähig auf.
Die Deutsche Bahn hat ein elementares Anliegen: in den kommenden Jahren mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Dazu setzt die DB unter anderem auf neue digitale Möglichkeiten – auch in der Aus- und Weiterbildung. Denn entscheidend für das Funktionieren und die Zukunftsfähigkeit des Betriebs sind letztlich die Mitarbeitenden, die Netz und Züge instandhalten, leiten und fahren. Entsprechend gilt es, Nachwuchskräfte und erfahrene Beschäftigte gleichermaßen für veränderte Jobprofile und ihre berufliche Zukunft zu rüsten. Für den digitalen Wandel gibt die DB ihren Mitarbeitenden dabei einen sicheren Rahmen und qualifiziert sie in ihrem Berufsleben fortwährend. Denn wenn sich Technik weiterentwickelt und Prozesse verändern, hat das auch Auswirkungen auf die Ausgestaltung von Berufsbildern, Kompetenzen, Qualifizierungsmaßnahmen sowie das entsprechende Lernverständnis.
Zahlreiche Studien haben sich bereits damit beschäftigt, Prognosen zu geben, welche Berufsbilder in der Zukunft verstärkt gebraucht werden, welche sich in besonderem Maße verändern und welche möglicherweise auch nicht mehr vorhanden sein werden (vgl. zum Beispiel Arbeitswelt und Arbeitsmarktordnung der Zukunft, Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 2016). Auch bei der DB analysieren wir mit verschiedenen Methoden die Auswirkungen der Digitalisierung auf Berufsbilder und richten unsere Qualifizierung immer wieder entsprechend aus.
In einer gemeinsamen Studie mit der EVG haben wir 2018 die Chancen und Herausforderungen durch die Digitalisierung für die Beschäftigten des DB-Konzerns analysiert (vgl. Die Digitalisierung gemeinsam gestalten, wmp consult, 2018). Die Studie betrachtete 11 ausgewählte Tätigkeiten, wie beispielsweise Disponent*innen, Signalmechaniker*innen, Wagenmeister*innen, Triebfahrzeugführer*innen oder Zugbegleiter*innen. Zentrale Ergebnisse waren:
- Die Digitalisierung hat Auswirkungen auf alle Bereiche des Konzerns, allerdings in unterschiedlicher Intensität und Ausprägung.
- Die Veränderungen sind gemeinsam gestaltbar.
- Neue Aufgaben und Tätigkeitsprofile entstehen, einzelne Aufgaben können wegfallen.
- Die Anforderungen an Kompetenzen verändern sich, digitale Kompetenzen und eine höhere Serviceorientierung stehen im Fokus.
Im Personalressort der DB machen sich diese Veränderungen aktuell in verschiedenen Themenfeldern bemerkbar und werden auf unterschiedlichen Ebenen beantwortet.
Das Strategische Workforce Management
Um künftig die konkreten Kompetenzbedarfe möglichst genau vorhersagen zu können, haben wir im Rahmen einer gemeinsamen Initiative der Bereiche Personalplanung, Personalentwicklung und DB JobService das Strategische Workforce Management entwickelt. Es ist ein wichtiger Baustein für die Ausrichtung und Zukunftsgestaltung der DB. Der Ansatz ist die Erweiterung der heutigen quantitativen Strategischen Personalplanung (SPP) um die qualitative Betrachtung. Der Strategische Workforce Management Prozess schafft damit eine transparente Grundlage für personalpolitische Entscheidungen, die bereits heute für zukünftige geschäftsrelevante Ausrichtungen angegangen werden müssen. Wie setzen wir das konkret um?
Das Strategische Workforce Management ist ein strukturierter Beratungsprozess, der von allen Geschäftsfeldern genutzt werden kann. In Workshops wird mit der Szenariotechnik die Zukunft für relevante Personalentscheidungen prognostiziert. Die quantitativen Veränderungen von Bedarfen und Tätigkeiten werden dabei genauso betrachtet wie die qualitativen kompetenzbasierten Auswirkungen. Gemeinsam bestimmen Fachbereiche und relevante Entscheidungsträger*innen das jeweils wahrscheinlichste Zukunftsszenario. Auf dieser Basis werden mit IT-gestützten Analysen künftige Handlungsfelder identifiziert.
Typische Erkenntnisse aus Projekten sind beispielsweise, die Einführung von neuer Technik und Software frühzeitig vorzubereiten oder neue Kompetenzanforderungen durch systematische Qualifizierung und Personalentwicklung zu realisieren. Darauf aufbauend werden gemeinschaftlich mit den Prozessbeteiligten die konkreten Veränderungsmaßnahmen festgelegt. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor dieses Frameworks ist die enge Kollaboration zwischen verschiedenen HR-Funktionen, Fachbereichen und weiteren Mitwirkenden im strategischen Entscheidungsprozess.
Future Profiles
Neben dem Strategischen Workforce Management haben wir in einer Kooperation mit HRForecast zudem Zukunftsprofile, sogenannte „Future Profiles“, für bestimmte Berufsbilder erstellt. Hierbei wurden bestehende Stellenausschreibungen der DB hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit bewertet und die Bedeutung der derzeitigen und künftigen Skill-Trends für die Berufsbilder abgeleitet.
Um diese Analyse durchzuführen, wurde eine vierstufige Vorgehensweise gewählt:
1. Definieren der Datenquellen und Crawlen der Daten
2. Standardisierung der Daten
3. Quantitative und qualitative Analyse
4. Erstellung der zukunftsorientierten Profile
Die Experten von HRForecast nutzen externe Daten, um dann mit den Ergebnissen der quantitativen Analyse die zukunftsorientierten Berufsprofile zu definieren und daraus wiederum gemeinsam mit uns Ableitungen für die DB zu treffen. Beispielsweise können diese Informationen im strategischen Personalplanungsprozess einfließen. Gleichzeitig können damit auch bestehende Daten überprüft und zukunftsorientiert aufgestellt werden. Dies ist eine Basis, um wettbewerbsfähige Jobprofile sicherzustellen.
Mit dem „Back to the future“-Ansatz zu den Berufsbildern der Zukunft
Darüber hinaus entwickeln wir aktuell als Teil des „Zukunftslab 1“, unter der Leitung von Kerstin Wagner, Ulrike Haber-Schilling und Michael Fritz, den „Back to the future“-Ansatz. Hier geht es ebenfalls darum, Veränderungen von Berufsbildern frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen abzuleiten. Der Fokus liegt dabei verstärkt auf der Einbindung von Fachexpert*innen, um ein klareres Zukunftsbild zu generieren und damit noch besser berufsspezifische Veränderungen in Tätigkeiten, Skills und Kapazitäten ableiten zu können.
Zukunftskompetenzen
Für die Zukunftsfähigkeit der DB ist ein funktionierendes Kompetenzmanagement wichtig. Daher haben wir auch dieses weiterentwickelt, denn unter dem Einfluss der Digitalisierung gewinnen andere und übergreifende Kompetenzen an Bedeutung. Im Rahmen der Ausgestaltung der neuen Kompetenzlandkarte der DB haben wir deshalb neben den Kompass-Kompetenzen auch Zukunftskompetenzen definiert. Diese sind von besonders hoher strategischer Relevanz. Dazu zählen beispielsweise Systemwissen Bahn, Digitale Kompetenzen, Kommunikationsstärke und Lernbereitschaft. Unter den Digitalen Kompetenzen verstehen wir den konstruktiven Umgang mit der Digitalisierung, der sich beispielsweise im Verständnis von digitalen Trends, dem Nutzen digitaler IT- und Kommunikationswerkszeuge und dem Vorantreiben digitaler Lösungen darstellt.
Die Auswahl der Zukunftskompetenzen verdeutlicht noch einmal, worauf es in Zeiten der Digitalisierung besonders ankommt: Diese fordert einerseits die Auseinandersetzung mit der Komplexität neuartiger Systeme und Prozesse, unterstreicht andererseits jedoch auch die Wichtigkeit von Kollaboration und der Bereitschaft zu kontinuierlichem Lernen und persönlicher Weiterentwicklung.
Neues Lernen
Lernen verändert sich grundlegend und schnell im Kontext der Digitalisierung. Grundvoraussetzung für eine gelungene und zukunftsfähige Gestaltung von digitalem Lernen ist daher auch ein entsprechendes modernes und gemeinsames Lernverständnis, mit einer lernoffenen Grundhaltung. Dieses Lernverständnis haben wir gemeinsam mit unseren Interessenvertreter*innen in der KBV Bildung definiert:
- „Wir lernen täglich, gemeinsam und voneinander, auch in geschäftsfeldübergreifenden Netzwerken, das „Wir“ steht im Vordergrund.
- Wir verstehen Lernen als integrierten Bestandteil der Arbeits- und Alltagswelt. In individuellen Lernumgebungen, die Arbeitgeber und Mitarbeiter gemeinsam gestalten, findet Lernen und Lehren selbstbestimmt und eigenverantwortlich unter Beachtung der Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes sowie sonstiger gesetzlicher, tariflicher und betrieblicher Regularien statt.
- Wir verstehen Lernen als kontinuierliches Training mit dem Bestreben es zur Gewohnheit werden zu lassen.
- Neben Lernen in Präsenzformaten setzen wir digitales Lernen ein, um ortsunabhängiges, zeitlich flexibles und mobiles Lernen zu unterstützen“ (KBV Bildung, § 3(3)).
Dieser Weg zu einem neuen gemeinsamen Lernverständnis umfasst damit auch Schritte zur Nutzung der Möglichkeiten des digitalen Lernens. Auf dieser Grundlage gestalten wir gemeinsam im DB-Konzern (digitale) Lernformen, -formate und -medien. Der Fokus liegt insbesondere auf verschiedenen Blended Learning-Formaten, die moderne Technologien (zum Beispiel Virtual Reality (VR)- oder Augmented Reality (AR)-Formate) mit Präsenzphasen kombinieren. Die eingesetzten Formate richten sich nach den zu vermittelnden Inhalten: rein theoretische Wissensvermittlung eignet sich für ort- und zeitunabhängige Formate, wie beispielsweise Web Based Training (WBT). Zur Stärkung von praxisorientierter Handlungskompetenz sind Formate geeignet, die den Fokus auf beispielsweise Durchführung und Wiederholung legen. Blended Learning haben wir für die DB in drei Kategorien definiert und schaffen damit Handlungssicherheit und ein konzernweites Verständnis (Tabelle).
Diese werden in der Trainings- und Lernmodulentwicklung berücksichtigt und über die entsprechenden Formen und Medien umgesetzt. Berücksichtigt werden natürlich auch die sozialen Aspekte wie Networking und Interaktion. Daher werden bei der Entscheidung, in welcher Form Qualifizierungen entwickelt beziehungsweise angeboten werden, Kriterien in drei großen Clustern zu Grunde gelegt:
- Lernziel (Wissen, Verstehen, Anwendung)
- Lernmethodik (Interaktion, soziale Aspekte)
- Wirtschaftlichkeit (Effizienz, Skalierung, Ressourcenkritikalität)
So gestalten wir passgenaue Lernangebote für eine moderne und zukunftsfähige Qualifizierung im DB-Konzern.
Zukunftsfähige Qualifizierung
Breits in der dualen Berufsausbildung machen sich Veränderungsanforderungen an die Qualifizierung auf mindestens zwei Ebenen bemerkbar:
Technologischer Wandel und Digitalisierung
Zum einen ziehen die technologischen Weiterentwicklungen und digitalen Veränderungen in den Betrieben einen Wandel der Berufsbilder nach sich. In den betrieblichen Einsätzen ist es selbstverständlich, dass die Auszubildenden bereits mit digitalen Tools, digitalisierten Prozessen und Arbeitsweisen in Berührung kommen. Beispiele sind hier der Umgang mit 3-D-Druckern im Bereich der Fahrzeuginstandhaltung, digitales Kuppeln, Lernnuggets zur Oberleitungsspannung als AR-Szenario oder moderne elektronische Stellwerke. Diese Anforderungen aus der betrieblichen Realität sollen sich natürlich auch in den Ausbildungsinhalten und Prüfungen widerspiegeln, um digitale Handlungssicherheit von Anfang an zu vermitteln.
Metakompetenzen
Zum anderen werden auch Metakompetenzen immer wichtiger, die den einzelnen Auszubildenden für die Bewältigung der Anforderungen in einer sich schnell verändernden Arbeitswelt fit machen sollen. Dies umfasst beispielsweise den sensiblen Umgang mit Daten, den Datenschutz, die Einschätzung der Risiken bei der Nutzung von digitalen Medien und IT-Systemen und die Nutzung von Informationen aus digitalen Netzen.
Systemisch spiegeln sich diese Anforderungen in neuen Standardberufsbildpositionen „Digitalisierte Arbeitswelt“ der dualen Berufsausbildungen wider. Diese sollen gemäß der Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) ab Sommer 2021 sukzessive in alle neu geordneten Ausbildungsverordnungen Eingang finden.
Aber auch in der DB stärken wir diese immer wichtiger werdenden Metakompetenzen durch berufsbildübergreifende Seminare in der Ausbildung. Dazu zählen beispielsweise „Mein Start in die Berufsausbildung“. Hier wird für datensensiblen Medienumgang oder die Bewertung von Wissen im Internet sensibilisiert. Auch die individuelle Persönlichkeitsentwicklung möchten wir unterstützen, denn Digitalisierung fordert Kompetenzen über den Technikumgang hinaus. Dazu nutzen wir in der Berufsausbildung bereits seit Jahren sehr erfolgreich das „Sozial- und Methodenkompetenztraining“.
Voraussetzungen schaffen
Dies alles gelingt nur dann, wenn die entsprechende Lerninfrastruktur geschaffen ist und Lernende wie Lehrende über die nötigen Kompetenzen verfügen, um diese bestmöglich zu nutzen. Daher haben wir bereits vor vier Jahren damit begonnen, alle unsere Auszubildenden mit Tablets auszustatten, und das nicht nur um für die Zielgruppe attraktiv zu sein, sondern auch im Sinne unseres Lernverständnisses den Zugang zu DB-Wissen zu erleichtern.
Dieser Zugang war auch einer der zentralen Erfolgsfaktoren für den erfolgreichen Umgang mit der Corona-Pandemie auf der Ausbildungsebene. Denn auch über ihre mobilen Endgeräte können unsere Nachwuchskräfte die zentrale Lernplattform „DB Lernwelt“ nutzen. Dort finden sie unter anderem umfangreiches Lernmaterial zur Vertiefung von Kenntnissen in der gewerblich-technischen Berufsausbildung. Beispielsweise können die Auszubildenden zum Eisenbahner im Betriebsdienst auf verschiedene Tools der Funktionsausbildung zum Triebfahrzeugführer zugreifen. Eines davon ist ZuSi, eine virtuelle Zugfahrsimulation mit Laptop. Die Lernenden trainieren damit in simulierten Zugfahrten unterschiedliche betriebliche Situationen bis hin zum Fahren bei betrieblichen und technischen Störungen. ZuSi ermöglicht wie andere digitale Lernmethoden mehr Flexibilität für orts- und zeitunabhängiges Üben und bereitet die Lernenden optimaler auf die Praxisphasen vor.
Mit dem Projekt „Endgeräte für Alle“ wird dieser Zugang auch für alle Mitarbeitenden der DB möglich sein. Damit können auch andere digitale Lernmethoden, wie interaktive WBT, 360°-Views oder VR, zum Beispiel in der Funktionsausbildung zum Einsatz kommen.
Eisenbahn zum Anfassen
Trotz aller Digitalisierung bleibt für uns die Ausbildung an und in den Zügen, Anlagen und im unmittelbaren Austausch mit den Kolleg*innen selbstverständlich weiterhin von zentraler Bedeutung. Deshalb kommen digitale Lernformate in der dualen Berufsausbildung insbesondere zur Vertiefung und als Ergänzung zu den Trainings in der Praxis zum Einsatz. Was sich aber gerade durch die Pandemie gezeigt hat ist, dass wir hinsichtlich der Digitalisierung in der Aus- und Weiterbildung bei der DB schon große Schritte in die richtige Richtung gegangen sind. Diesen Kurs möchten wir auch weiterhin beibehalten. Doch die Eisenbahn „zum Anfassen“ und damit verbunden unser tägliches Miteinander ist das, was die Ausbildung bei der DB und unsere Eisenbahnerfamilie im Kern ausmacht – und auch künftig ausmachen wird.
Im starken Miteinander
Aktuell bereiten wir uns auf den Start des nachfolgenden Ausbildungsjahrgangs vor. In diesem Jahr wollen wir rund 5.000 Nachwuchskräfte im Konzern begrüßen – Rekord! – und auch in unsicheren Zeiten ein Chancengeber für junge Menschen sein. Denn ihre tatkräftige Unterstützung benötigen wir nicht zuletzt, um die langfristigen Ziele unserer Ausbaustrategie „Starke Schiene“ erreichen zu können. An dieser Stelle möchte ich ein herzliches und ausdrückliches Dankeschön an alle Kolleg*innen aussprechen, die täglich alles geben, um die DB im starken Miteinander voranzubringen und gemeinsam die Weichen Richtung Zukunft stellen.
Lesen Sie auch:
Artikel als PDF laden