Merkliste aktualisiert
Home > Themenwelten > Fahrzeuge > Die Schienenfahrzeug-Fachwelt trifft sich in Graz

Tagung Moderne Schienenfahrzeuge

Die Schienenfahrzeug-Fachwelt trifft sich in Graz

Foto: TU Graz
Foto: TU Graz

Vom 17. bis 19. September 2023 fand in Graz die 48. Tagung „Moderne Schienenfahrzeuge“ statt. Rund 550 Teilnehmende aus 14 Ländern, vorrangig aus der Fahrzeugindustrie, von Verkehrsbetreibern sowie Forschungseinrichtungen, kamen zum Austausch über aktuelle Entwicklungen und technische Innovationen zusammen.

Die Themenblöcke der Tagung umfassten am ersten Tag den Güterverkehr, Antriebe und Bremssysteme. Am zweiten Tag standen die Bereiche Rad/Schiene, Test/Zulassung und Komponenten auf dem Programm. Ausgerichtet wurde die Veranstaltung wie gewohnt vom Institut für Eisenbahnwesen der Technischen Universität Graz unter Leitung von Prof. Peter Veit. Der Bahn Fachverlag war Medienpartner.

Gastgeber Prof. Peter Veit begrüßt die Anwesenden zum Eröffnungsabend auf dem Schlossberg (Foto: TU Graz)

Für das von der Europäischen Union (EU) gesetzte Ziel, den Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene bis zum Jahr 2030 auf 30 Prozent zu steigern, gilt die Digitalisierung und Automatisierung des Güterzugs (Digital Freight Train, DFT) als unumgänglich. Als Herzstück des DFT kommt der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) eine besondere Bedeutung zu. Über die Herausforderungen der interoperablen Automatisierung für die Steigerung der Effizienz im Schienengüterverkehr berichtete Steffen Jass von Knorr-Bremse.

Dabei stellt die DAK jedoch „nur“ eine Enablerfunktion für weitere Technologien, wie automatisierte Wagensicherung, dar. Um die Folgen der Einführung der DAK und damit einhergehender technischer Möglichkeiten abschätzen zu können, braucht es Simulationsmodelle auf verschiedenen Betrachtungsebenen, so Matthias Reichmann von der TU Graz in seinem Vortrag.

Einblicke in die Aktivitäten der Schweizer Bundesbahnen (SBB) zum Automatischen Fahrbetrieb (ATO) gab Jens Nolte. Die SBB ist weiter an Aktivitäten zur Europäischen Normierung beteiligt, um für potenzielle Anwendungen auf allen GoA-Stufen einen Beitrag zur Anwendbarkeit der Normen im Schweizer Bahnbetrieb zu leisten.

Chancen und Lösungen, um den kombinierten Verkehr mittels intermodaler Elektromobilität neu zu denken, präsentierte Tobias Mitter von SSC Railtec. Anhand eines Intermodal-Pilotzugs von Mercitalia stellte Günter Petschnig von PJ Monitoring das Konzept eines digitalen Güterzugs vor.

Antriebs- und Bremstechnik

Über das Projekt AnoWaAs – Angepasstes und optimiertes Wagenkastenkonzept für alternative Antriebssysteme bei Schienenfahrzeugen, berichtete Gregor Malzacher vom DLR. Darin werden methodisch aus einer Vielzahl verschiedener Derivate an Wagenkastengestaltungen diejenigen identifiziert, die das höchste Leichtbaupotenzial aufweisen. Sein Kollege Christian Weber erläuterte die Entwicklung und Inbetriebnahme der Antriebstechnik für den Einzelrad-Direktantrieb des Next Generation Highspeed Train, ein vom DLR entwickelter, 400 km/h schneller, doppelstöckiger Triebwagenzug für den Hochgeschwindigkeits-Personenverkehr.

Die neuen Züge, Drehgestelle und das Antriebssystem für London Underground erörterte Peter Lang von Siemens. Für die spezifischen Anforderungen des Tunnelbetriebs hat das Unternehmen ein neues Fahrzeugkonzept entwickelt, das mit vielen Innovationen ausgerüstet wurde.

Bislang im Vollbahnbereich noch ohne Anwendung, leitet die Elektro-Mechanische Bremse (EM-Bremse) eine Revolution bei der Funktionsweise von Bremssystemen in Schienenfahrzeugen ein. Dabei setzt sie neue Maßstäbe für Effizienz, Zuverlässigkeit und Leistung, wie Josef Baier von Knorr-Bremse erklärte. Zur Gewährleistung der Funktionssicherheit und Zuverlässigkeit von Bremssystemen nehmen Prüfstandsversuche eine wichtige Stellung ein. Ein innovatives Konzept, das besondere Flexibilität bietet, stellte Peter Brunnhofer von der TU Graz vor.

Podiumsdiskussion zum Abschluss des ersten Tages
Podiumsdiskussion zum Abschluss des ersten Tages (Foto: TU Graz)

Innovationen im Rad-Schiene-System

Die Relevanz der Arbeiten von Prud‘homme zum Grenzwert der Führungskräfte eines Radsatzes für den heutigen Fahrweg würdigte Roman Schmid von der ÖBB Infrastruktur AG. Möglichkeiten zur Optimierung des Kontakts zwischen Rad und Schiene durch Losradfahrwerke, wie sie beim spanischen Hersteller Talgo zum Einsatz kommen, besprach Miguel Sánchez Lozano von der University Miguel Hernandez of Elche.

Verbesserte Systeme für das Management und die Wiederherstellung der Rad-Schienen-Haftung und die Rückgewinnung erläuterte Matteo Frea von der Firma Wabtec. Normen zum Reibungsmanagement Rad-Schiene, den aktuellen Stand und weiteren Forschungsbedarf erörterte Björn Olaf Kämpfer vom TÜV Nord.

Die Einflussfaktoren für den Verschleiß von Radsätzen sind vielseitig, die Beschreibung der einzelnen Ursachen ist schwierig. Das ganzheitliche Radsatzmanagement unterstützt die Instandhaltung in Planung, Steuerung und Durchführung aller relevanten Instandhaltungstätigkeiten. Robin Kühnast-Benedikt von der Boom Software AG präsentierte eine entsprechende Lösung.

Moderne Gleitschutzsysteme müssen die Anforderungen der Gleitschutz-Norm EN15595 und des UIC-Merkblattes 541-05 erfüllen, um im Schienenfahrzeug zum Einsatz zu kommen. Das Siemens eigene Gleitschutzsystem SIBAS GS kompakt ist sowohl UIC- als auch EG-zertifiziert und hat bereits seine erste Serienanwendung mit dem X-Wagen-Zug für Wien. Vorgestellt wurde es von Jens Lichterfeld von Siemens Mobility.

Nach der Flottenumstellung der Wuppertaler Schwebebahn auf neue Fahrzeuge traten im Jahr 2020 Probleme im Rad-Schiene-Kontakt auf. Innerhalb eines Jahres konnten die wesentlichen Ursachen ermittelt und ein neues Radprofil in Verbindung mit einer optimierten Spurkranzschmierung und einer verbesserten Radwerkstoff-Spezifikation umgesetzt werden, wusste Katrin Mädler von DB Systemtechnik zu berichten.

Ein auf einer endlichen Zustandsmaschine basierendes Energiemanagementsystem für Brennstoffzellen-Hybrid-Schienenfahrzeuge war das Thema von Weiqiang Guo, der bei CRRC ZELC Verkehrstechnik in Wien beschäftigt ist. Einen Vergleich des Betriebsverhaltens von gummigefederten Rädern mit unterschiedlichen Radialsteifigkeiten, die in den Straßenbahnen Škoda Forcity Smart aus Pilsen eingebaut sind, lieferte Sven Jenne von der Gutehoffnungshütte Radsatz GmbH.

In den letzten Jahren ist in der Eisenbahnindustrie der Bedarf an der Ermittlung und der Erfassung von Daten gestiegen. Wie Daten das Fuhrparkmanagement optimieren können, erläuterte Richard Lenthall von Voestalpine. Auf die Rolle, die die Erfassung von Betriebsdaten im Engineering Prozess von Lokomotiven spielen kann, ging Werner Breuer von Siemens ein.

Die Gestaltung von Hochgeschwindigkeitszügen ist darauf ausgerichtet, den Luftwiderstand zu minimieren, um die Effizienz zu maximieren. Welche Potenziale zur Hebung der Effizienz mittels Leichtbau in Drehgestellen vorhanden sind, erläuterte Alexander Prix von Siemens Austria. Berechnungsmethoden zur Ermittlung des maximalen, dynamischen Radsatz-Torsionsmoments stellte Felix Saur von der Prose AG vor. Auswirkungen von Festwalzen auf Ermüdungs- und Verschleißverhalten von Radsatzkomponenten besprach Jürgen Maierhofen von der Materials Center Leoben Forschung GmbH.

Die nächste Tagung Moderne Schienenfahrzeuge findet in der Zeit vom 13. bis 15. April 2025 statt.

Weitere Infos und Fotos unter:
www.schienenfahrzeugtagung.at


Artikel als PDF laden