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Bahnindustrie

Das Railway Forum 2023 im Rückblick

Foto: Offenblende/Markus Braumann
Foto: Offenblende/Markus Braumann

Das alle zwei Jahre stattfindende Spitzentreffen der europäischen Bahnindustrie in Berlin hat einmal mehr das Potenzial demonstriert, das die Schiene zur Bewältigung der gegenwärtigen Herausforderungen im Bereich Mobilität, Klima und digitale Transformation bieten kann. Mehr als 2.000 Teilnehmende waren vor Ort, weitere 1.000 verfolgten die Konferenz im Livestream. Im Ausstellungsbereich präsentierten sich 180 deutsche und internationale Unternehmen, darunter der Bahn Fachverlag, der das Railway Forum als Medienpartner begleitet.

In den eröffnenden Keynotes brachten Spitzenvertreter*innen von Industrieverbänden und dem Kompetenzpartner Deutsche Bahn (DB) dem Publikum einige aktuelle Themen und Entwicklungen näher, welche die Branche beschäftigen und auch die Agenda der Konferenz prägten. Sarah Stark, Hauptgeschäftsführerin des Bahnindustrieverbands VDB, verwies auf die Fortschritte beim Rollout der Digitalen Schiene (DSD) und hob dabei das Schnellläuferprogramm und das Generalunternehmermodell hervor, dass sich bei der Umsetzung der Projekte bewährt habe. Digitalisierung, Automatisierung und Elektrifizierung auch der Energienetze sind die drei großen Baustellen des Sektors, die aus Sicht des Zentralverbands der Elektroindustrie (ZVEI) zu bearbeiten sind, auf der Konferenz vertreten durch Geschäftsführer Wolfgang Weber.

Jan Grothe, Leiter der DB-Konzernbeschaffung und zugleich Schirmherr des Railway Forum, lobte die Unterstützung, welche die Branche inzwischen durch die Politik erfahre. Gleichzeitig benannte er Defizite und Risiken, wie den schlechten Zustand der Schieneninfrastruktur in Deutschland sowie Inflation und Instabilität im internationalen Marktumfeld. Austausch und gemeinsames Lernen werde gebraucht, betonte Grothe. Sein Kollege Rolf Härdi, Leiter Innovation im DB-Konzern, warb ebenfalls für gemeinsame Lösungen und erinnerte an das Erfolgsmodell 3D-Druck, das vor einigen Jahren auf dem Railway Forum seinen Anfang genommen hatte.

Im Anschluss setzte sich der erste Tag mit Vorträgen und Workshops zu den Themen Digitalisierung, Automatisierung, Energieversorgung, Nachhaltigkeit und Lieferketten fort, parallel dazu konnten die Teilnehmenden die Fachausstellung besuchen und an den Ständen ins Gespräch kommen.

Innovationen für die Bahnbranche: Die DB-Manager Hans Peter Lang, Sigrid Nikutta, Rolf Härdi, Jan Grothe und Daniela Gerd tom Markotten (Bildmitte, von links) begutachten beim Rundgang durch die Ausstellung ein Bauteil aus dem 3D-Drucker, präsentiert von Stefanie Brickwede (rechts)
Innovationen für die Bahnbranche: Die DB-Manager Hans Peter Lang, Sigrid Nikutta, Rolf Härdi, Jan Grothe und Daniela Gerd tom Markotten (Bildmitte, von links) begutachten beim Rundgang durch die Ausstellung ein Bauteil aus dem 3D-Drucker, präsentiert von Stefanie Brickwede (rechts) (Foto: Offenblende/Markus Braumann)

Bausteine für Kapazitätsgewinne im Schienennetz

André Rodenbeck, Infrastruktur-CEO von Siemens Mobility, plädierte für die Vernetzung aller bestehenden Ansätze zur Digitalisierung anstelle von Insellösungen. Das DSD-Pilotprojekt in Hamburg habe nicht nur die Vorteile des automatischen Zugbetriebs (ATO) demonstriert, sondern auch des Vorgehens mit offenen Schnittstellen, was eine Co-Entwicklung der Spezifikationen durch DB und Siemens ermöglicht habe.

Daniela Gerd tom Markotten, im DB-Konzern als Vorständin verantwortlich für das Technikressort, verwies darauf, dass der angestrebte Kapazitätsgewinn von bis zu 20 Prozent nur mit einer durchgehenden Digitalisierung von Infrastruktur und Fahrzeugen in Verbindung mit ATO realisiert werden könne. Dabei müsse die DB ihren Fokus gleichermaßen in die Zukunft wie auf die Sanierung des Bestandsnetzes richten. Auch Markotten betonte den Nutzen geteilter Daten, etwa beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Zugverkehrssteuerung. Das Innovationstempo der Schiene sei allerdings im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern noch zu gering, mahnte die DB-Managerin.

Kapazitätszuwächse seien nicht allein mit ETCS, sondern nur mit entsprechender Fahrzeugausrüstung und dem neuen Bahn-Mobilfunkstandard FRMCS zu schaffen, sagte Hans Peter Lang, CTO von DB Systemtechnik. Ebenso sei die Digitale Automatische Kupplung (DAK) nicht nur für den Schienengüterverkehr bedeutsam, sondern der Schlüssel für das Fahren im beweglichen Raumabstand (moving block) und damit den Erfolg des DSD-Programms als Ganzes.

Ließ sich streicheln, nahm aber keine Leckerlis an: Ein Robodog von Boston Dynamics drehte seine Runden durch die Konferenzräumlichkeiten des Berliner Estrel Hotels
Ließ sich streicheln, nahm aber keine Leckerlis an: Ein Robodog von Boston Dynamics drehte seine Runden durch die Konferenzräumlichkeiten des Berliner Estrel Hotels (Foto: Offenblende/Kerstin Vihman)

Gewohnt optimistisch präsentierte sich die DB-Güterverkehrs- und Cargo-Chefin Sigrid Nikutta dem Publikum. Was das Innovationspotenzial betrifft, bescheinigte sie dem Standort Deutschland bessere Aussichten, als das kürzlich die US-Zukunftsforscherin Amy Webb auf dem Women Economic Summit getan hatte. Als positives Beispiel verwies Nikutta ebenfalls auf den Meilenstein DAK und den damit verbundenen Hebel nicht nur für die Kapazität, sondern auch die Personalsituation, da die Verkehrsunternehmen in Zukunft nicht mehr genug Mitarbeitende für arbeitsaufwendige Vorgänge wie das bislang übliche manuelle Kuppeln finden würden. Der Schienenbranche legte sie nahe, vom Vorgehen erfolgreicher Polarexpeditionen zu lernen und auf mehr Tempo, mehr Standardisierung und die Reduzierung von Komplexität zu setzen.

Das im vergangenen Jahr von der DB vorgestellte Konzept der Generalsanierung und das partnerschaftliche Bauen würdigte Spitzke-Chef Mark Fisher als Paradigmenwechsel, der aber auch die Komplexität erhöhe. Er zählte eine Reihe von Anforderungen auf, welche die neue Vorgehensweise bei der Modernisierung des Schienennetzes an alle Beteiligten stelle. Als Beispiel erläuterte Fisher die Baustofflogistik, die für die Umsetzung von Projekten in der Dimension der Riedbahn erforderlich ist, dem ersten Anwendungsfall der Generalsanierung der Hochleistungskorridore.

Der erste Konferenztag schloss mit einem festlichen Abendprogramm ab, das weitere Möglichkeiten zum Austausch und Netzwerken bot. In diesem Rahmen wurde auch der Railsponsible Award der Nachhaltigkeitsinitiative der Schienenbranche verliehen, der in diesem Jahr an das Unternehmen Interface ging, einen Hersteller modularer Bodenbeläge.

Verkehrswende beschleunigen, aber wie? Podiumsdiskussion zum Thema Digital Twins
Verkehrswende beschleunigen, aber wie? Podiumsdiskussion zum Thema Digital Twins (Foto: Offenblende/Kerstin Vihman)

Neue Fahrzeuge für mehr Personenverkehr

Am zweiten Tag stellten zwei Vertreter*innen des Personenverkehrs der DB ihre Pläne und Ideen vor, wie die angestrebte Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030 erreicht werden kann. Oliver Terhaag, Vorstand bei DB Regio, präsentierte neue Fahrzeugkonzepte wie den Doppelstockzug Dosto, mit denen die Beförderungskapazität erhöht werden kann, ohne neue Gleise zu bauen. Als Beispiel für kleine Maßnahmen mit großer Wirkung erläuterte er, wie bei der S-Bahn München ein Sitz weniger im Eingangsbereich dafür sorgt, dass Fahrgäste parallel ein- und aussteigen können, was eine pünktliche Abfahrt erleichtert. Größter begrenzender Faktor ist laut Terhaag der Mangel an Triebfahrzeugführenden, weshalb die Automatisierung des Zugbetriebs unumgänglich sei.

Im DB-Fernverkehr geht es laut Marketing-Chefin Stefanie Berk darum, bei zukünftigen Fahrzeugbeschaffungen im Zeithorizont 2030-2060 schneller auf technologische Trends und geänderte Anforderungen zu reagieren. Nach Abschluss der Auslieferung der aktuellen ICE-Generationen 4 und Neo will die DB konzeptionell neu ansetzen und Nachhaltigkeit, Energieeffizienz, Instandhaltungs-Optimierung und Hochverfügbarkeit zu zentralen Kriterien bei der Fahrzeugentwicklung machen. Im gesamten Lebenszyklus von Hochgeschwindigkeitszügen strebt der Konzern maximale Innovationsfähigkeit bei voller Kostenkontrolle an, so Berk.

Levin Holle, der neben den Konzernfinanzen auch das Ressort Nachhaltigkeit betreut, erläuterte die Ziele und Etappen der DB bis 2040. Als aktuelle Beispiele für das Erreichte nannte er die Auslieferung batteriebetriebener Regionalzüge vom Typ Mireo, das emissionsfreie ICE-Werk Köln Nippes und den komplett aus Holz errichteten grünen Bahnhof Zorneding (siehe dazu den Beitrag in Deine Bahn 9/2023). Im Bestreben des Konzerns, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit zu verbinden, seien auch die Hersteller und Zulieferer der DB gefordert, ihre Lieferketten entsprechend den Nachhaltigkeitskriterien aufzustellen und transparent zu gestalten.

Das nächste Railway Forum findet am 3. und 4. September 2025 in Berlin statt.

Infos und Anmeldung
www.railwayforum.de


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