Die Integration digitaler Lernformate in die Qualifizierung von Bahn-Fachkräften war ein Schwerpunktthema des Symposiums für Betriebsleiter*innen. Der Verband Deutscher Eisenbahnfachschulen hatte dazu nach Köln geladen und die Präsenzveranstaltung den Umständen gerecht mit hybriden Elementen ergänzt.
Das Timing hat gepasst: Kurz bevor auch in Nordrhein-Westfalen verschärfte Kontaktbeschränkungen in Kraft traten, konnte das VDEF-Symposium im November 2021 wie geplant vor Ort stattfinden. Im unweit des Kölner Hauptbahnhofs gelegenen Tagungshotel kamen betriebliche Führungskräfte und Sicherheitsverantwortliche von Wettbewerbs- und Werksbahnen aus ganz Deutschland zusammen, um sich über praxisrelevante Themen rund um Regelwerke, Bahnbetrieb und Eisenbahnrecht zu informieren und auszutauschen. Genauso wichtig war natürlich die persönliche Begegnung und das Wiedersehen, nachdem im Vorjahr die meisten Präsenzveranstaltungen ausfallen mussten.
Organisiert und begleitet wurde das Symposium von der Gastgeberin und stellvertretenden VDEF-Vorsitzenden Marion Buchholz, Monika Michlbaur, Mitarbeiterin im Bildungszentrum Frankfurt, und dem Juristen Horst-Peter Heinrichs, der wie gewohnt als Moderator durch die Sitzungen führte. Einige Teilnehmende und Referenten waren per Livestream zugeschaltet und konnten sich über eine Videokonferenz-Anwendung an der Diskussion beteiligen.
Qualifizierung: Auf die Mischung kommt es an
Unter den Bedingungen der vergangenen beiden Jahre musste die Aus- und Weiterbildung der dringend benötigten Fachkräfte im Schienensektor neu gedacht und organisiert werden. Digitales Lernen war auch schon vor der Pandemie ein vieldiskutiertes Thema, dessen Umsetzung allerdings, von den Umständen gewissermaßen erzwungen, neuen Schub erhalten hat. Mit der Besonderheit, dass in der Qualifizierung insbesondere im betrieblichen Bereich Präsenz und Praxisnähe eine große Rolle spielen, die nicht so ohne Weiteres ersetzt werden können.
Ist das digitale Lernen also Fluch, Segen oder beides? Diese Frage stellte Anja Cordes, Fachbereichsleiterin Digitales Training beim VDEF. Sie machte in ihrem Vortrag deutlich, dass es nicht um ein entweder oder geht, vielmehr sei es das Ziel, das Lernen neu zu lernen. Den Vorteilen digitaler Formate, wie Flexibilität, Zeit- und Ortsunabhängigkeit stehen eine geringere Verbindlichkeit und die fehlende persönliche Betreuung gegenüber. Auch sei die Aufmerksamkeitsspanne der Lernenden am Bildschirm begrenzt, genauso wie die Zahl der Teilnehmenden, bei der etwa ein Online-Training noch sinnvoll durchführbar ist, während Präsenzunterricht besonders gut für die Vertiefung von Inhalten geeignet sei. Den Königsweg sieht Cordes daher in Methodenvielfalt und der Verzahnung konventioneller und virtueller Formate, dem Blended Learning: eine Mischung aus Präsenzunterricht, Simulationen und interaktiven digitalen Lernangeboten, ergänzt mit persönlicher Begleitung durch die Lehrenden.
Oliver Ritter stellte ein neues webbasiertes Training (WBT) vor, das von Innoflex, einem Tochterunternehmen des VDEF, entwickelt wurde. In einem browserbasierten Lernbereich stehen den Nutzern themenspezifische Module zur Verfügung, bei denen sich Übungen und Tests abwechseln. Die Durchführung des Trainings kann durch ein innovatives Kartensystem anonym erfolgen. Die Inhalte auf der Lernumgebung sind nach dem Prinzip des Micro-Learning in kleinere Bausteine, sogenannte Lern-Nuggets, aufgeteilt.
Im Anschluss an diese Vorträge entwickelte sich eine lebhafte Diskussion über die Möglichkeiten und Grenzen digitaler Lernformate in der Aus- und Weiterbildung. So wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit Kontrolle möglich ist und Betrug verhindert werden kann. Wie Oliver Ritter erläuterte, können im WBT absolvierte Tests auch unter Aufsicht durchgeführt werden. Bei Lern- und Übungseinheiten müsse zudem sichergestellt werden, dass das Gelernte auch verstanden wird – dies ist nach Auffassung einiger Diskussionsteilnehmender am besten im direkten Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden möglich. Darüber hinaus stellten einige Ausbildungsverantwortliche im Plenum fest, dass die Motivation und Fähigkeit zum eigenverantwortlichen und eigenständigen Lernen jenseits des Präsenzunterrichts bei den Auszubildenden zunehmend nachlasse – ein grundsätzliches Problem, das über die Frage der Digitalisierung hinausgeht.
Prozessoptimierung in Geschäftsverkehr und Betrieb
Welche Möglichkeiten die Digitalisierung für Unternehmensprozesse bieten kann, beschrieben zwei weitere Referenten in ihren Präsentationen. Theodor Robbers, Geschäftsführer der Borkumer Kleinbahn, führte in das so faszinierende wie komplexe Thema Blockchain ein, dass hinter Krypto-Währungen wie dem Bitcoin steckt. Am Beispiel digitaler Verträge, sogenannter Smart Contracts, verdeutlichte Robbers die wachsende Bedeutung der IT-Sicherheit im Geschäftsverkehr von Unternehmen: Die Blockchain-Technologie sei geeignet, den Austausch sensibler Dokumente in digitaler Form angriffs- und fälschungssicher zu machen.
Werner Ried von DB Fernverkehr und Gordon Dittmann von railcon zeigten am Beispiel der App Smart Train für die Zugabfertigung im Güterverkehr auf, wie Digitalisierung und Prozessoptimierung zusammenhängen. Bestandsprozesse vorab zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ändern, ist demnach die Voraussetzung dafür, das volle Potenzial digitaler Lösungen zu erschließen. Betriebliche Abläufe und Aufgaben in solchen Anwendungen abzubilden, sei auch ein Vorteil für die Personalgewinnung, da typische Bahnberufe für die immer heterogener werdende Zielgruppe der Ausbildungsinteressenten attraktiver gemacht werden können. Mehr dazu lesen Sie im Beitrag von Werner Ried in diesem Heft.
Eisenbahnrecht
Das weite und sich stetig wandelnde Feld des Eisenbahnrechts wurde von den Referenten Michael Fabian (VDV), Alexander Heinen (Kanzlei Flick Gocke Schaumburg) und Horst-Peter Heinrichs für die Kongressteilnehmenden erschlossen. VDV-Experte Fabian gab einen umfassenden Überblick über Neuerungen bei bahnrelevanten Gesetzen, Vorschriften und Verordnungen: von einem Corona-Maßnahmenpaket der Europäischen Union über das Investitionsbeschleunigungsgesetz der Bundesregierung (siehe dazu Deine Bahn 1/2022) bis hin zu so speziellen Regelungen wie der genderkonformen Anrede beim Vertrieb von Fahrscheinen oder dem Schutz der Insektenvielfalt im Umfeld von Bahnanlagen.
Der auf Arbeitsrecht spezialisierte Rechtsanwalt Heinen hatte sich damit befasst, wie die die Frage der Haftung geregelt ist, wenn Führungskräfte wie Geschäftsführer oder Betriebsleiter Aufgaben an Mitarbeitende delegieren. Er ging dabei auf den Unterschied von Verantwortung und Verantwortlichkeit und die feinen Abstufungen von Vorsatz und Fahrlässigkeit ein – ein Beispiel aus der Praxis war die Rolle des ehemaligen VW-Chefs Winterkorn im Dieselskandal. Horst-Peter Heinrichs prüfte zum Abschluss des Kongresses das Wissen der Teilnehmenden zu ausgewählten Rechtsfragen aus der Triebfahrzeugführerschein-Verordnung.
Der nächste VDEF-Kongress ist für November 2022 geplant. Der Bahn Fachverlag ist Medienpartner.
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