Merkliste aktualisiert
Home > Themenwelten > Verkehr > Bahnbranche und Mobilitätswende: „Wir sind die Lösung“

Railway Forum 2021

Bahnbranche und Mobilitätswende: „Wir sind die Lösung“

Teilnehmende mit Masken im Gespräch
Im Gespräch auf dem Railway Forum 2021 (Foto: IMP AG/offenblende)

Auf der ersten großen Präsenzveranstaltung der Bahnbranche seit anderthalb Jahren war die Erleichterung und Freude auf den Podien, an den Tischen und Ständen deutlich zu spüren: Endlich wieder persönliche Begegnungen und direkter Austausch – bei allen Vorteilen des digitalen und mobilen Arbeitens bleibt das für viele unverzichtbar. Den Aufbruch in das neue Mobilitätszeitalter, so die Überschrift des diesjährigen Railway Forum, will die Branche nach der Überwindung der Pandemie nun mit voller Kraft fortsetzen.

Nachhaltigkeit und Klimawandel haben in einem Jahr weltweiter extremer Wetterereignisse und im Umfeld der Bundestagswahl in Deutschland wieder einen hohen Stellenwert bekommen, die durch Corona beschleunigte Digitalisierung ist von unveränderter Relevanz.

„Wir sind die Lösung“ – so brachte es der Vorstandsvorsitzende von DB Fernverkehr, Michael Peterson, in seiner Keynote auf den Punkt, der damit die gesamte Bahnbranche ansprach. Die Herausforderung ist der nachhaltige Umbau des Verkehrs, der einzige Wirtschaftssektor, der seine Emissionen in den letzten 30 Jahren nicht reduzieren konnte.

Die Deutsche Bahn rechnet nach der Krise mit Wachstum und geht davon aus, dass sich das Privatkundengeschäft bis Anfang 2022 und der Güterverkehrsmarkt bis 2023 vollständig erholt haben. Digitale Gesellschaften sind auch mobile Gesellschaften, betonte Peterson. Bis 2040, und damit 10 Jahre früher als die Europäische Union, will die Bahn klimaneutral sein. Mit einer Resilienzstrategie stellt sich der Konzern auf die Folgen des Klimawandels für den Schienenverkehr ein.

Messehalle mit Ständen und Besuchern
Blick in die Ausstellung: Mitte rechts im Bild der Stand des Bahn Fachverlags (Foto: IMP AG/offenblende)

Digitale Schiene: Die Neudefinition des Systems Bahn

Bis zum Jahr 2050, in dem Europa der erste klimaneutrale Kontinent sein will, wird sich die Mobilität im Personenverkehr weltweit verdreifachen. Das würde eine Zunahme der verkehrsbedingten Emissionen um 60 Prozent bedeuten, wenn der Ausstoß auf dem heutigen Niveau bleibt. Anhand dieser Prognosen verdeutlichte Michael Peter, CEO von Siemens Mobility, in seinem Vortrag noch einmal die Dimension der Aufgabe. In der Digitalisierung der Schiene sieht Peter den Schlüssel, der in seinem Vortrag die verschiedenen Möglichkeiten aufzeigte, welche die vorhandene Technik heute schon biete, von der Optimierung der Netzauslastung und der Steuerung von Fahrgastströmen bis zur deutlichen Steigerung der Verfügbarkeit. Der Rollout der neuen Technologien müsse allerdings schneller vorangehen, so der Siemens-Manager.

Hier setzt die Digitale Schiene Deutschland (DSD) an, dessen Stand und Perspektiven Programmleiter Kristian Weiland auf dem Kongress erläuterte. Wohin die Reise genau gehen würde, das war vor zwei Jahren noch nicht absehbar, sagte Weiland, der das Programm auf dem vorigen Railway Forum vorgestellt hatte. Nun sind die ersten Pilotprojekte an den Start gegangen, darunter die digitale S-Bahn Hamburg. Die Digitale Schiene definiert ein neues System Bahn und eine neue Art der Betriebsführung, betonte Weiland. Die Modernisierung der Leit- und Sicherungstechnik mit ETCS und digitalen Stellwerken könne die Netzkapa­zität um bis zu 35 Prozent steigern. Die Umsetzung werde nicht in der klassischen Auftraggeber/Auftragnehmer-Beziehung gelingen, sondern nur als partnerschaftliche Kooperation, in der jeder Beteiligte – Bahn, Industrie und Politik – etwas einbringt, erklärte Weiland.

Neben der Digitalisierung sind die optimale Auslas­tung der Bestandsinfrastruktur und der Neu- und Ausbau die weiteren zentralen Hebel zur Erhöhung der Kapazität im Schienennetz, verdeutlichte DB-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla. Insgesamt seien bis 2030 Investitionen im Umfang von 170 Milliarden Euro erforderlich, 1.500 Kilometer Gleise, 2.000 Weichen, 140 Brücken und 670 Bahnhöfe müssten erneuert werden. Hinzu kommt die Beseitigung der Flutschäden, für die 1,3 Milliarden Euro aus dem Hilfsfond der Bundesregierung zur Verfügung stehen. Der Schienensektor habe noch nie so gute Aussichten wie heute gehabt, betonte Pofalla.

Redner auf Podium mit Präsentation im Hintergrund
Klimaneutral bis 2050: Das EU-Ziel kann nur mit einer starken und digitalen Schiene erreicht werden (Foto: IMP AG/offenblende)

Lieferketten und Logistik: Die CO2-Bilanz ist die neue Währung

Für die Beschaffung der Deutschen Bahn sprach auf dem Railway Forum erstmals Jan Grothe in seiner neuen Funktion als CPO, die er in diesem Jahr vom ebenfalls anwesenden Uwe Günther übernommen hatte, der sich in den Ruhestand verabschiedet hat. Grothe präsentierte das Zielbild 2025 der Beschaffung, für das er das Bild einer Expedition zu einem Berggipfel gewählt hatte – ein Unterfangen, das nur im Team bewältigt werden könne.

Nachhaltigkeit werde für die Beschaffungsorganisation der DB einen noch größeren Stellwerkt einnehmen, verdeutlichte Grothe. So müssten sich alle Lieferanten des Konzerns auf Leitlinien verpflichten, in denen unter anderem die CO2-Bilanz der Wertschöpfungs- und Lieferketten eine Rolle spielt. Ein DB-Industriepartner wurde auf dem Railway Forum von der Branchen­initiative „Railsponsible“ ausgezeichnet: Das Unternehmen Schaeffler erhielt den diesjährigen Award in der Kategorie Kreislaufwirtschaft für einen Service zur ressourcenschonenden Aufbereitung und Wiederverwendung von Radsatzlagern.

Menschen mit Maske begrüßen sich per Faust
Nach dem Stabwechsel an der Spitze der Beschaffung: DB-CPO Jan Grothe (rechts) und sein Vorgänger Uwe Günther beim gemeinsamen Rundgang durch das Railway Forum (Foto: IMP AG/offenblende)

DB-CPO Grothe sieht im CO2-Ausstoß und seiner Bepreisung eine neue Währung in der Industrie – Güterverkehrs-Vorständin Sigrid Nikutta geht sogar davon aus, dass die Emissionsbilanz großer Unternehmen einen Einfluss auf den Börsenwert haben wird. Während bei Lieferketten und Lösungen in der Logistik früher der Preis an erster Stelle stand, sei heute die Nachhaltigkeit das erste Kriterium, so Nikutta.

Sie rief die anwesenden Industrievertreter dazu auf, den Schienengüterverkehr als Experimentierfeld für technologische Innovationen anzusehen, und verwies auf die Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung als einen großen Wurf für die Branche. Der Flächenroll­out von ETCS im deutschen Schienennetz könne nur in Verbindung mit der DAK wirksam werden. Außerdem müsse sichergestellt werden, dass die Lösung europaweit einsetzbar ist, unterstrich Nikutta.

drei Personen auf einer Bühne
Verlieh den Preis für den 3D-Druck-Wettbewerb: DB Cargo-Chefin Sigrid Nikutta (Foto: IMP AG/offenblende)

Das nächste Railway Forum ist für den 5.–6. September 2023 geplant. Der Bahn Fachverlag ist Medienpartner.

www.railwayforum.de

Infos und Zahlen rund um das RFO 2021
1.400 Teilnehmende und 150 Aussteller waren im Estrel Hotel in Berlin vor Ort, weitere 1.000 Personen aus 60 Ländern nahmen virtuell teil. Zusätzlich zur Konferenz-App stand eine Online-Plattform zur Verfügung, auf der Kontakte gesucht, Termine vereinbart, Videocalls geführt und die Veranstaltung im Livestream verfolgt werden konnten. Neben den Vorträgen, Diskussionen und der Fachausstellung gab es zahlreiche Workshops zur Vertiefung der Kongressthemen.
Sigrid Nikutta und Stefanie Brickwede von der Deutschen Bahn verliehen den Preis des diesjährigen 3D-Druck-Wettbewerbs. Auf dem Startup Pitch der DB Mindbox präsentierten 6 junge Gründer in jeweils 5 Minuten ihre Lösungsideen. Der erste Konferenztag schloss wie gewohnt mit einer festlichen Abendveranstaltung ab, die Tischrede hielt DB-Finanzvorstand Levin Holle.


Artikel als PDF laden