Mit der Bahnreform 1994 wurden zwei Sondervermögen, wovon eines vor 1990 als volkseigener Betrieb, das andere als Sondervermögen des Bundes und als Bundesbehörde betrieben wurde, zusammengeführt. Die Deutsche Bundesbahn (DB) beschäftigte Beamte, Angestellte und Arbeiter – die Deutsche Reichsbahn (DR) „Werktätige“, die aber alle einen „Dienstrang“ besaßen. Zwei in der Aus- und Fortbildung der DB/DR beschäftigte frühere Bahnlehrer/Trainer berichten aus ihren persönlichen Erfahrungen.
Alle Beschäftigten der DR und der Verwaltung des ehemaligen Reichsbahnvermögens (VdeR) wurden 1990 in das Sondervermögen Deutsche Reichsbahn überführt. Beide Sondervermögen wurden zum 31. Dezember 1993 Kraft Gesetz verschmolzen und dann zur DB AG zusammengeführt.
Bei der DB AG konnten nach Gründung, da die Dienstherrenfähigkeit fehlte, keine „neuen Beamten“ ausgebildet und ernannt werden – die vorhandenen Beamten wurden Kraft DB AG Gründungsgesetz zugewiesen. Deshalb mussten nach der Gründung der DB AG die bisherigen Laufbahnausbildungen der Deutschen Bundesbahn auf neue Berufsbilder und Studiengänge bzw. betriebsinterne Funktions- und Verwendungsausbildungen umgestellt werden.
Bei der DR konnten nach der „Wende“ die bisherigen Berufe ebenfalls nicht weiter ausgebildet werden, da die Volkskammer der DDR sich bereits im Juli 1990 grundsätzlich dafür entschieden hatte, das Berufsbildungssystem Westdeutschlands voll und sehr zügig zu übernehmen. Durch ein Gesetz wurden deshalb auch alle bisherigen Ausbildungsberufe für die Facharbeiterausbildung in der ehemaligen DDR aufgehoben und die Ausbildungsberufe nach dem Berufsbildungsgesetz und der Handwerksordnung eingeführt. Diese politischen Rahmenbedingen bedeuteten, dass es bis 31. Juli 1991 keinen Ausbildungsberuf für „Betriebseisenbahner“ in Deutschland gab.
Erfahrungsbericht von Joachim Bullmann
Ich begann meine Tätigkeit als Trainer im Bahnbetrieb zum 1. Juni 1989 – damals sehr schnell und ohne große Vorlaufzeiten mit einem Einführungsseminar Bahnbetrieb für Lokführer in der Beamtenausbildung an der Bundesbahnschule München-Aubing.
Im Trainereinsatz gab es häufig wechselnde Zielgruppen – denn damals wie heute gab/gibt es Berufszweige, z. B. Triebfahrzeugführer, Ingenieure für den Bau- und Instandhaltung von Oberbau und LST, Werkmeisterfunktionen, Sicherungsposten usw., in denen es Personalengpässe gab. Auch damals schon wurden Ingenieure im Ausland gesucht – so bildeten wir u. a. junge Ingenieure aus Irland für die Infrastruktur aus.
Mit der Wende kamen sehr viele Facharbeiter für Eisenbahntransporttechnik, die bei der DR qualifiziert wurden, zur DB, durchliefen dort nochmals eine 18-monatige Beamten-Ausbildung zum Bundesbahnassistenten und wurden nach Abschluss zu Beamten auf Probe ernannt. Diese Gruppen waren für uns als sog. „Direktionslehrer“ teilweise herausfordernd, da die zu vermittelnden Inhalte im Bahnbetrieb sich sehr stark mit denen aus der Berufsausbildung bei der DR deckten und die Teilnehmer daher „Motivationsprobleme“ für die aus ihrer Sicht doppelte Ausbildung hatten.
Im Jahr 1991 wurde ich dann neben meiner Funktion als Trainer Bahnbetrieb noch Ausbildungsleiter für den kommenden neuen Beruf „Eisenbahner im Betriebsdienst“ (EiB) in Mainz, der nach der neuen Eisenbahner-Erprobungsverordnung (EiBErpobV) ausgebildet werden sollte. Damit verbunden war die Mitwirkung beim Aufbau eines neuen Ausbildungszentrums im Mainzer Hauptbahnhof und bei der Suche von Ausbildern für die Fachgebiete Service&Vertrieb sowie Bahnbetrieb. Dies wurde auch geschafft und zum 1. September 1992 begannen 15 junge Menschen in Mainz ihre Berufsausbildung zum EiB.
Da es im Mainzer Berufsschulzentrum keine passenden Lehrer für das Fachgebiet Bahnbetrieb, Rangieren und Zugfertigstellung gab, übernahm ich im ersten Jahr der Ausbildung auch den fachlichen Berufsschulteil.
Bereits im Jahr 1992 war der politische Wille zur Gründung eines neuen Bahnunternehmens klar vorgegeben und damit einhergehend liefen die letzten Beamtenausbildungen im mittleren und gehobenen Dienst im Jahr 1993 aus. Dadurch waren die Geschäftsbereiche der zum 1. Januar 1994 gegründeten DB AG gezwungen, neben den vorhandenen Berufsausbildungen – im nichttechnischen Bereich war dies neben dem EiB noch der Kaufmann/-frau im Eisenbahn- und Straßenverkehr (KiES) – interne, sogenannte Funktionsausbildungen (z. B. Fahrdienstleiter, Schranken-, Strecken- bzw. Weichenwärter, Sicherungsposten, Lokführer, Rangierer, Wagenmeister im Güterverkehr usw.), einzuführen bzw. anzupassen. Mit diesen Funktionsausbildungen wurde es möglich, auf eine Stelle bzw. Funktion bezogen spezifisch, in zwei bis sieben Monaten, Fachkräfte auszubilden und zu prüfen.
Wir als Trainer Bahnbetrieb waren bei diesen Funktionsausbildungen für die Vermittlung des theoretischen und tlw. praktischen Wissens – ab 1994 unter Nutzung des Simulationssystems „SESAM“ für die EiB/Fahrdienstleiter – im Regel- und Störungsbetrieb, sowie bei betrieblichen Unregelmäßigkeiten, beteiligt.
Als neues Qualifizierungsgebiet kam für mich ab 1993 das Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht dazu. Hierzu erhielten wir verschiedene Fortbildungen und Hospitationen. Alle Führungskräfte der neuen DB AG bekamen ein Angebot zum Besuch dieser Seminarreihen. Die durchzuführenden Seminare fanden im Wechsel im Schulungs- und Gästehaus Berlin-Kaulsdorf der DR (früheres Gästehaus des DDR-Verkehrsministeriums), der Bahnschule in Klein Köris (frühere Zivilschutzschule der DDR) und in DB-Standorten in den Regionen statt.
Die zwei in der nichttechnischen Berufsausbildung vorhandenen Berufe „EiB und KiES“ erfüllten nicht die Anforderungen der Geschäftsbereiche der DB AG (insbesondere bei Güterverkehr und Fahrweg) – die EiBErpobV war zudem bis 1997 befristet. Es war also notwendig, die Berufsbilder zu modifizieren bzw. weitere Berufsbilder zu beantragen und einzuführen.
Im Jahr 1995 standen die ersten Abschlussprüfungen für die EiB 1992 an. Als Ausbildungsleiter wurde man auch Vorsitzender des Prüfungsausschuss EiB, ich bei der IHK Mainz. Wir haben also im Mai/Juni 1995 unsere erste Ausbildungsgruppe geprüft, von den 15 Teilnehmern haben 13 die Prüfung bestanden. Alle hatten schon gute Einstellungsangebote aus den unterschiedlichsten Betrieben der Geschäftsbereiche – viele auch außerhalb der DB Fahrweg.
Zum 1. Oktober 1995 wurde ich Referent in der Berufsausbildung des damaligen Dienstleistungszentrums Bildung (DZB) – zum 1. Oktober 1996 operativer Leiter der Berufsausbildung und zum 1. Januar 1997 Leiter der Berufsausbildung (DZB 2). In dieser Funktion war ich u. a. auch für die Weiterentwicklung aller nichttechnischen und gewerblich-technischen Berufe der DB AG verantwortlich – zu dieser Zeit hatte die DB AG noch ca. 16.000 Auszubildende.
Eisenbahner im Betriebsdienst
Der neue Beruf „Eisenbahner im Betriebsdienst“ war der erste „Gesamtdeutsche Ausbildungsberuf“ der in Rekordzeit, von Februar 1991 bis 14. August 1991 erstellt und erlassen wurde und damit das Vakuum für die noch bestehende Deutsche Reichsbahn, der ansonsten ein Ausbildungsberuf fehlte, schloss. Da auch einige private Bahnen und die Bundesbahn (erst zum 1. September 1992) Interesse an dem Beruf hatten, konnte er zum 1. August 1991 erstmals ausgebildet werden.
Ausgehend von meiner Funktion wirkte ich also bei der Neuerarbeitung des Berufsprofils EiB im Jahr 1996 mit. Zum 3. April 1997 konnte die neue Ausbildungsverordnung EiB, die nun zwei Fachrichtungen hatte, Fahrweg sowie Lokführer und Transport, in Kraft treten. Mit diesem überarbeiteten Berufsprofil des EiB konnten somit erstmals Lokführer in einer Berufsausbildung qualifiziert werden.
Ein neuer kaufmännischer Beruf für die Bahnbranche
Mit dem neuen EiB wurden aber die Bedürfnisse der Nahverkehrsbetriebe für die Betreuung der Kunden im Zug bzw. für Zugbegleiter mit betrieblichen Aufgaben nicht optimal oder gar nicht abgedeckt, da sich die Bewerber- bzw. Anforderungsprofile zum Teil stark unterscheiden. Auch der Fernverkehr benötigte für seine Borddienste und den Vertrieb ein anders Profil. Neben den klassischen Bahnprofilen mussten die Anforderungen der DB-Personenbahnhöfe (z. B. Bahnsteigservice/Auskunft) und der DB-Sicherheit, deren Mitarbeitenden teils bei der Begleitung Zügen und für Service/Sicherheit am Bahnsteig eingesetzt wurden, berücksichtigt werden.
Wir haben also im Herbst 1996 einen neuen Ausbildungsberuf beim Wirtschaftsministerium beantragt, der die Anforderungen der genannten Geschäftsbereiche berücksichtigt. Wichtig war uns dabei, dass wir ein kaufmännisches Profil definieren durften und nicht eine technische Fachkraft, da diese ein anderes Bewerberprofil generiert. Wir haben dann mit den beteiligten Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Vertretern der Betriebe, unter Federführung des zuständigen Bundesinstitutes für Berufsbildung (BIBB), innerhalb von sechs Monaten den neuen Beruf „Kaufmann/-frau für Verkehrsservice“ (KfV) erarbeitet – dessen Verordnung dann zum 1. August 1997 in Kraft getreten ist.
Der KfV hat zwei Schwerpunkte, Verkauf und Service sowie Sicherheit und Service. Mit dem KfV und seinen Schwerpunkt „Sicherheit und Service“ stand der Sicherheitsbranche der erste Ausbildungsberuf in diesem Segment in Deutschland zur Verfügung – vorher gab es nur die Sachkundeprüfung nach § 34a GewO bei den Industrie- und Handelskammern (IHK). Zum 1. September 1997 starteten dann die ersten KfV-Azubis bei der DB ihre Ausbildung.
Unsere größte Kraftanstrengung seit 1995 benötigte aber die Umstellung aller DB-Berufe auf die selbständigkeitsfördernde Ausbildung und damit verbunden eine starke zeitliche Verschiebung der Ausbildungszeiten in die praktische Ausbildung bei den Betrieben. Bis Ende der neunziger Jahre gab es bei der gewerblich-technischen Berufsausbildung der DB AG einen sehr hohen Anteil von Ausbildungszeiten in den Ausbildungswerkstätten (ca. 70 bis 80 Prozent der Ausbildungszeit). Dazu erhielten die Azubi pro Woche noch drei bis vier Stunden theoretischen Unterricht durch den Verband der Eisenbahnfachschulen. In der nichttechnischen Ausbildung EiB, KfV und KiES waren mit den neuen Berufsverordnungen die Ausbildungszeiten in den Lernzentren schon auf 30 bis 40 Prozent der Ausbildungszeit verkürzt.
Zu den Ausbildungszeiten in den Lernzentren gehörten damals auch die Einsätze der KfV/KiES in den sog. Juniorfirmen. Die Juniorfirmen waren Reisezentren, die komplett von Azubis, unter Betreuung eines Ausbilders des DZB, geführt wurden. Ende der 1990er-Jahre gab es ca. 30 dieser Juniorfirmen.
Mit den neuen bzw. überarbeiteten Berufsprofilen haben wir auch die Trainings für die soziale Kompetenz („Erlebnispädagogik“) – in Zusammenarbeit mit der Outward Bound-Academy – entwickelt und für alle Azubis der DB eingeführt. Diese haben dann innerhalb einer Woche die Zusammenarbeit in Teams in Form von gemeinsamen Outdoortrainings, aber auch mit Orientierungstouren mit Übernachtung, für die eigenständig die Verpflegung zusammengestellt werden musste, eingeführt.
Eine weitere große Herausforderung war der Aufbau eines Auszubildenden-Marketings. Ab dem Jahr 1997 hat die DB AG jedes Jahr zwischen 3.400 bis 4.000 neue Auszubildende (Azubis) eingestellt. Für den gewerblich-technischen Bereich konnten die Betriebe der DB in den meisten Regionen genügend Azubis finden. Bei den EiB, KfV und KiES war dies wesentlich schwieriger. Wir haben deshalb ein zentrales Azubi-Marketing aufgebaut und in jeder Niederlassung der DB Bildung (damals Trainingszentrum genannt) eine Struktur und Personale, unter Nutzung des Netzwerkes der Ausbilder/Trainer vor Ort, aufgebaut. Diese Personale sowie die Marketingkampagnen wurden von uns aus der Zentrale gesteuert und organisiert.
Ein persönliches Fazit
Alles in allem kann ich feststellen, dass durch die Bahnreform „ein Sturm“ durch die berufliche Qualifizierung des Konzerns wirbelte und vieles in kürzester Zeit modifiziert und grundsätzlich anders gemacht wurde. Ich als früherer Trainer und später in verschiedenen Abteilungsleiterfunktionen durfte diese Prozesse steuern, ausgestalten und praktisch umsetzen – es war immer herausfordernd, aber hoch interessant und spannend.
Erfahrungsbericht von Sylke Schmidt
Ich begann meine Tätigkeit in der Aus- und Fortbildung von Eisenbahnern als Berufsschullehrerin im Januar 1988 in der Betriebsberufsschule des Reichsbahnamtes Lutherstadt Wittenberg in Doberschütz. Eigentlich wollte ich niemals Lehrerin werden, sondern meine berufliche Planung sah eine Tätigkeit in der Zugdisposition im Reichsbahnamt Wittenberg vor, aber aus persönlichen Gründen kam es anders. Die Zeit, die ich im Folgenden beschreibe, war nicht immer leicht, aber die Entscheidungen und Ergebnisse trotzdem für mich immer richtig – auch wenn der Weg etwas länger war und diese Erkenntnisse erst im Rückblick da sind.
Die Deutsche Reichsbahn (DR) hatte eigene Berufsschulen, auf Ebene der Reichsbahnämter (Rba), teilweise mit eigenen Wohnheimen und sozialpädagogischem Personal (Erziehern). Zu den Berufsschulen für die theoretische Erstausbildung der Lehrlinge (aktuelle Bezeichnung 1988) gehörten die regionalen Aus- und Weiterbildungsstätten. Dort hatten die Lehrlinge ihre Praxisunterrichte und die Erwachsenen konnten Funktions- und Verwendungsausbildungen absolvieren bzw. erhielten ihre regelmäßige Fortbildung in ihrer Funktion (z. B. Rangierer, Fahrdienstleiter, Zugbegleiter, Sicherungsposten).
Für die Erstausbildung bestand eine enge Verbindung zwischen berufstheoretischer und berufspraktischer Ausbildung. Es gab abgestimmte Lehrpläne und regelmäßige Austauschformate zwischen Berufsschullehrern und Praxis-Ausbildern. Wir hospitierten gegenseitig in den Unterrichten. Die Ausbildungsdauer betrug in der Regel zwei Jahre; danach erfolgte überwiegend bereits ein Einsatz in der Zielfunktion.
Für die Lehrpersonale der Berufsschulen wurden besondere Qualifizierungen angeboten: für Berufsschullehrer das Hochschulstudium zum Diplompädagogen, für Lehrmeister: das Fachschulstudium zum Ingenieurpädagogen. Es gab eine weitere Besonderheit bei der DR: eine Berufsausbildung mit Abitur, d. h. an einigen Berufsschulen konnte im Rahmen einer Berufsausbildung in ausgewählten Berufsbildern parallel auch ein Abitur abgelegt werden. Die Ausbildungsdauer betrug dann drei Jahre.
Ab 1986 wurde der FA für Eisenbahntransporttechnik in die beiden Berufe FA für Eisenbahnbetrieb und Verkehrskaufmann geteilt. Damit gab es jeweils ein eigenständiges Berufsbild für die Sparten Bahnbetrieb und Verkehr.
Berufsbilder im Eisenbahnwesen der DDR
a) für Abgänger der 10. Klasse (heute Realschulabschluss):
- Facharbeiter (FA) für Betrieb- und Verkehrsdienst – bis 1976
- Facharbeiter für Eisenbahntransporttechnik – bis 1985
- Facharbeiter für Eisenbahnbetrieb – bis 1990
- Facharbeiter für Eisenbahnbautechnik
- Facharbeiter für Nachrichtentechnik
- Facharbeiter für Rangiertechnik
- Facharbeiter für Eisenbahnbau
- Schienenfahrzeugschlosser
- Elektrosignalmechaniker
- Elektromonteur
- Verkehrskaufmann
b) für Abgänger der 8. Klasse (heute Hauptschulabschluss):
- Eisenbahntransportfacharbeiter
- Gleisbaufacharbeiter
- Fahrzeugwart
Da es auch 1988 schon Personal-Engpässe gab und ich mein Studium im Januar 1988 gerade abgeschlossen hatte, „durfte“ ich an der Berufsschule fast alle Fächer unterrichten: von Wirtschaftsmathematik über Verkehrsgeographie, Rechnungsführung und Statistik und auch ein bisschen mein eigentliches Fach: Eisenbahn-Fachkunde. Letzteres war für mich in der Vorbereitung auf den Unterricht fachlich unkritisch, aber in den anderen Fächern war ich zu Beginn meiner Lehrer-Laufbahn meist nur einen Tag schlauer als meine Lehrlinge, denn jeden Abend musste ich mir die Themen für den Folgetag mit der Unterrichtsvorbereitung erstmal erarbeiten. Eine pädagogische Ausbildung absolvierte ich später berufsbegleitend und schloss diese 1993 ab.
Von der Wende bis zur Bahnreform
Und dann kam die Zusammenführung von Bundes- und Reichsbahn. Wir Mitarbeiter der DR wurden 1993 im Rahmen eines Vorbereitungsprogramms auf die DB AG vorbereitet: Das „Projekt Brücke“. Außerdem gab es für uns verschiedene Managementseminarangebote, z. B. ein Seminar zum Betriebsverfassungsrecht. Ich habe mein Seminar übrigens bei einem Seminarleiter namens Joachim Bullmann in Berlin Kaulsdorf absolviert.
Schwerpunkte im Vorbereitungsprogramm des Projekts Brücke
(Teil „Grundlagen der Betriebswirtschaft“)
- Umwandlung der Deutschen Bahnen zur Deutschen Bahn AG
– Überblick über die Rechtsformen - Organisationsentwicklung
– Ziele und Instrumentarien der Organisationsentwicklung - Betriebswirtschaftliche Instrumentarien
– Grundbegriffe, Aufgaben und Gliederung des betrieblichen Rechnungswesens
– Jahresabschluss, Kostenrechnung, Plankostenrechnung
– Budgetierung, Soll-Ist-Vergleiche - Controlling
- Marketingkonzeption
– Marketing als Dienst der Unternehmung an ihren Kunden
– Marketingkonzepte
– Absatzpolitische Instrumente, Marketing-Kontrolle - Personalkostenmanagement
– Personalkosten
– Instrumente zur Beeinflussung der Personalkosten
– Personalkostenmanagement, Personalcontrolling
Die Volkskammer der DDR hatte sich bereits im Juli 1990 grundsätzlich dafür entschieden, das Berufsbildungssystem Westdeutschlands voll und sehr zügig zu übernehmen. Durch ein Gesetz wurden deshalb auch alle bisherigen Ausbildungsberufe für die Facharbeiterausbildung in der ehemaligen DDR aufgehoben und die Ausbildungsberufe nach dem Berufsbildungsgesetz und der Handwerksordnung eingeführt.
Es gab keine Beamten in der DDR. Auch alle Staatsbediensteten waren Angestellte oder Arbeiter, die dem Arbeitsgesetzbuch unterlagen. Das Arbeitsgesetzbuch regelte die Rechte und Pflichten der Werktätigen, wie zum Beispiel die Arbeitszeit, den Urlaub, den Lohn, die Kündigung oder den Streik. Die Staatsbediensteten hatten keinen besonderen Schutz oder Privilegien, sondern waren dem sozialistischen Staat untergeordnet und verpflichtet. Die Staatsbediensteten wurden nach ihrer Qualifikation, ihrer Leistung und ihrer politischen Zuverlässigkeit eingestellt, befördert oder entlassen. Die Staatsbediensteten sollten auch Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) sein oder zumindest deren Politik unterstützen. Bis zur Wende bzw. zum Jahre 1991 war der Dienstrang aber auch bei der DR ein fester Bestandteil im Dienstverhältnis des Eisenbahners.
Die Jahre 1990–1993 standen ganz im Zeichen der Umgestaltung und wesentlicher Veränderungen in der Berufsausbildung:
- Anerkennung der Berufe der DR im Einigungsvertrag
- Auflösung der Berufsschulen: Übergang der Berufstheorie zu den neu gegründeten Ländern; Personalabbau im Bereich der sozialpädagogischen Betreuung
- Übernahme der Berufsbilder aus den alten Bundesländern im gewerblich-technischen Bereich (inkl. Prüfung vor den Handwerkskammern): damit musste nach der Berufsausbildung noch eine Funktionsausbildung durchlaufen werden und eine zusätzliche Verwendungsprüfung bestanden werden.
- Schaffung einer „Zuständigen Stelle“ bei der DR, um eine einheitliche Abschlussprüfung in den nichttechnischen Eisenbahnberufen sicherzustellen (analog IHK und Handwerkskammer)
- Keine automatische Einstellung nach Ausbildungsende auf Grund von Personalabbau: viele Jugendliche wechseln nach der Ausbildung zur Deutschen Bundesbahn (DB)
- Aufgrund der deutlich reduzierten Einstellungszahlen kommt es auch zu einer Personalreduzierung im Bereich der berufspraktischen Ausbildung
- Im Bereich der berufspraktischen Ausbildung wird der Ausbilder (Beruf + pädagogische Ausbildung) nach AEVO eingeführt
Grundlegende Bestimmungen zu arbeitsrechtlichen Fragen in der DDR
- Artikel 24 der Verfassung der DDR, der das Recht auf Arbeit und das Recht auf einen Arbeitsplatz formulierte
- das Arbeitsgesetzbuch (AGB) enthielt alle wesentlichen arbeitsrechtlichen Bestimmungen
- Verordnung über die Pflichten, die Rechte und die Verantwortlichkeit der Mitarbeiter in den Staatsorganen
- Mutterschutzgesetz
- die Arbeitsschutzverordnung (ASVO)
- Arbeitsschutzanordnungen (ASAO), Arbeitsschutz- und Brandschutzanordnungen (ABAO), etwa vergleichbar mit den Unfallverhütungsvorschriften (UVV) der heutigen gesetzlichen Unfallversicherung; Beispiel: ASAO 5 „Arbeitsschutz für Frauen und Jugendliche“
- Technische Normen, Gütevorschriften und Lieferbedingungen (TGL), Pendant zur DIN-Norm
- Der Rahmenkollektivvertrag (RKV) mit dem FDGB (entspricht etwa einem gesamtstaatlichen Mantel-Tarifvertrag)
- Betriebskollektivverträge (BKV)
- Neuererverordnung (entspricht etwa einer gesamtstaatlichen Regelung zum betrieblichen Vorschlagswesen)
- Anordnung über die arbeitsrechtliche Stellung der in kirchlichen Einrichtungen beschäftigten Arbeiter und Angestellten vom 18. Januar 1958
Ab 1994 erfolgte die Zusammenführung der DR und DB:
- Implementierung der neuen Berufe Eisenbahner im Betriebsdienst (EiB) und Kaufmann im Eisenbahn- und Straßenverkehr (KiES) auf dem Gebiet der ehemaligen DR (Wegfall der Berufe FA für den Eisenbahnbetrieb (EBB) und Verkehrskaufmann (VK))
- Schwerpunkt war die Ausgestaltung des EiB Fahrweg / EiB Traktion: das Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) legte dabei besonderen Wert auf ein breit einsetzbares Berufsbild
- Zusammenführung der Bildungsorganisationen und Gründung des DienstleistungsZentrumBildung (DZB) zum 1. März 1995: Bündelungsfunktion im Bereich Bildung, um eine entsprechende Effizienzsteigerung zu erreichen
- Entwicklung und Einsatz von bundesweit einheitlichen Lernmedien
- Die Werkstätten der GTBA waren zum Anfang in den Geschäftsbereichen angesiedelt, wurden aber im Laufe der Zeit dann auch beim DZB / DB Bildung angesiedelt (das gleiche trifft auch auf die Fahrsimulatoren zu)
- Sukzessive erfolgte eine Aufgabe von Schulen mit Übernachtungsmöglichkeiten auf Grund des fehlenden Bedarfs (auch in den beamtenrechtlichen Laufbahnausbildungen)
Wir übernahmen sehr schnell alle Berufsbilder der Bundesbahn. Das brachte mir persönlich wieder neue Themen, die ich mir aneignen durfte, um sie dann an die Lehrlinge weiterzugeben. Zwei neue Schwerpunkte waren für mich Themen des Güterverkehrs und Maschinentechnik. Für die fachliche Vorbereitung nutzte ich Hospitationen in der Generalvertretung Güterverkehr (GV) bzw. an der damaligen Bundesbahnschule in Regensburg. Denn dort waren ja bereits Kollegen der Bundesbahn und vermittelten ihr Fach- und Regelwerkswissen in den für uns teilweise neuen Themen.
Einige Tage Hospitation in der GV in Leipzig und dann an der Schule in Regensburg Prüfening brachten mir sehr viele persönliche Erstkontakte mit den Kollegen vor Ort. Besonders möchte ich hier den ehemaligen Schulleiter Herrn Schmiedel nennen. Er gab mir jede Unterstützung und vermittelte mir weitere Ansprechpartner: Hospitation im Unterricht, Austausch mit Kollegen und sehr viel Papier. Besonders hilfreich für mich waren die ehemaligen Arbeitsblätter des BfA.
An der Lokfahrschule in Weißenfels absolvierte ich mit einer Lehrlingsgruppe eine Köf-Ausbildung, legte die Prüfung ab und unterrichtete dann auch einige dieser Themen in der theoretischen Ausbildung. 1992 wechselte ich von der Berufsschule Doberschütz an die Außenstelle für Aus- und Fortbildung nach Falkenberg/ Elster. Ich unterrichtete zukünftige Fahrdienstleiter, Rangiermeister und Zugführer in Falkenberg/Elster in den jeweiligen Verwendungsfortbildungen. Zum regelmäßigen Fortbildungsunterricht (RFU) fuhr ich zusätzlich an drei Tagen in der Woche zu den verschiedenen Fortbildungsstandorten des Rba Lu-Wittenberg, z. B. Dessau, Eilenburg, Bitterfeld, Lu-Wittenberg.
Die Themen wechselten in jedem Quartal und der regelmäßige Kontakt mit den überwiegend erfahrenen Eisenbahnern und Praktikern der verschiedenen Bereiche hat mir besonders als noch junge Lehrerin sehr viel Spaß gemacht und persönlich meine fachliche Entwicklung beeinflusst. Aktuelle Störungen und Unregelmäßigkeiten im betrieblichen Kontext haben wir gemeinsam diskutiert und regelwerkskonforme Lösungen gesucht und fast immer gefunden.
Zusätzlich übernahm ich Ende 1992 auch die Leitung der Außenstelle Aus- und Fortbildung (AFS) Falkenberg/ Elster, da der dortige Leiter in Ruhestand ging. 1995 wurde unsere Außenstelle aufgelöst und wir wurden der AFS Leipzig zugeordnet. Ich übernahm für sechs Monate im Jahr 1995 die Leitung der AFS Halle /Saale.
Bedeutete für mich wieder einen Arbeitsortwechsel in kurzer Zeit: Erster Sitz der Außenstelle war in Halle Neustadt, dann erfolgte kurzfristig ein Umzug in die ehemalige Lokfahrschule von Halle/ S, in die Volkmannstrasse. Mein Wohnort blieb unverändert. Aber in der Volkmannstrasse waren die Kartons noch nicht mal ausgepackt als der neue Leiter des neuen Dienstleistungszentrums (DZB) uns bei seinem ersten Besuch informierte, dass auch Halle/Saale geschlossen wird und wir nach Leipzig ziehen.
Ich übernahm von Dezember 1995 bis August 1999 die Leitung der noch vorhandenen Außenstellen der Aus- und Fortbildungsstätten in der Rbd Halle und hatte den Auftrag, eine ganze Reihe von Standorten zu schließen und das Geschäft zu optimieren. Menschlich und persönlich war das für mich eine sehr anstrengende Zeit, obwohl wir in fast allen Fällen sozialverträgliche Lösungen gefunden haben und auch in dieser Zeit sehr eng und gut mit der Interessenvertretung zusammengearbeitet haben.
Ab September 1999 wechselte ich in die Zentrale des DZB nach Frankfurt/Main. Als Projektleiterin Qualifizierungsprogramme hatte ich die Möglichkeit, neue Ausbildungen und Programm mitzugestalten:
- Fachwirt für den Bahnbetrieb (als Ersatz für die weggefallene beamtenrechtlichen Laufbahnausbildungen)
- Einführungsprogramme für Nachwuchsingenieure und Trainees zu systemrelevanten Themen im DB-Konzern
- Vorbereitungsseminare zum Feststellungsgespräch nach EBO§ 47
- Vorbereitungsseminare zur Prüfung als Eisenbahnbetriebsleiter nach EBPV
Ein persönliches Fazit
Zusammenfassend möchte ich für mich sagen, dass die vielen Herausforderungen und Veränderungen durch die Bahnreform mir persönlich überwiegend positive Möglichkeiten gebracht haben. Neben zahlreichen privaten organisatorischen Herausforderungen aufgrund der immer wieder wechselnden Arbeitsorte, die es in der Familie zu lösen gab, habe ich sehr viele Eisenbahner in der gesamten Bundesrepublik kennengelernt und in viele Themen Einblick erhalten. Ich konnte aktiv mit- und ausgestalten und verändern. Egal in welcher Rolle oder Funktion – immer für das System Bahn! Das hat viel Kraft gekostet, aber mir immer sehr viel Freude bereitet.
Historie der Bahnschulen:
Aufruf zur Unterstützung und Mitwirkung
Eine kleine Gruppe engagierter aktiver und ehemaliger Eisenbahner hat sich zusammengefunden, um die Geschichte der Eisenbahnschulen in Deutschland zu recherchieren und zusammen zu tragen für den Zeitraum ab 1920 bis heute. Das Ergebnis wird dann den Interessenten zugänglich gemacht.
Dazu ist sehr gern breite Unterstützung erwünscht: Wer besitzt historische Materialien (Dokumente, Fotos, Postkarten usw.) Wer kann aus seiner Kenntnis heraus Angaben liefern zu Standorten, den verschiedensten Bildungseinrichtungen, den Fachgebieten, ggf. Lehrpersonalen, Ausbildungsinhalten usw. Und vor allem: wer hat Interesse und Lust, dann bei der Aufbereitung und Zusammenstellung aller Materialien mitzuwirken?
Kontakt per E-Mail:
suche@bahnschulen.de
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