Es ist eine Zeit des Umbruchs und der Innovation. Kein Teilbereich der Bus- und Bahn-unternehmen in Deutschland befindet sich auch nur im Entferntesten im Verwaltungsmodus. Die technischen, organisatorischen und finanziellen Treiber des Wandels einerseits und das unternehmerische Handeln vor Ort andererseits befruchten sich gegenseitig.
Natürlich steht das Deutschland-Ticket symbolisch für diese Entwicklung, doch die Umwälzungen gehen tiefer, sind weitgehender. Mit dem D-Ticket haben wir einen Meilenstein erreicht, der nicht nur die Tariflandschaft im Nahverkehr revolutioniert, den Vertrieb und weitere Unternehmensbereiche digitalisiert, sondern auch ein erstes Aufbruchssignal für die Verkehrswende setzt.
Weiteres Wachstum mit dem „D-Ticket plus“
Das Ticket, im Mai 2023 eingeführt, ist ein entscheidender Schritt hin zu einer nachhaltigeren und barrierefreien Mobilität, indem es für 49 Euro im Monat nahezu alle Formen des öffentlichen Nahverkehrs in Deutschland zugänglich macht. Deutschlandweit waren 2023 rund elf Millionen Menschen Besitzer eines Deutschland-Tickets, mit einer sehr hohen Gesamtzufriedenheit von 95 Prozent, was zu einer vollständigen Erholung der Fahrgastzahlen im deutschen ÖPNV von der Covid-Krise geführt hat.
Allerdings ist das Ticket bisher nicht mehr und nicht weniger als eine Fahrtberechtigung für die 2. Klasse – keine Übertragbarkeit, keine Mitnahmemöglichkeit, keine Komfort-Aufwertung. Die Branche sieht daher ein Wachstumspotenzial von rund 15 Millionen Tickets als realistisches Wachstumsziel.
Vor der inhaltlichen Weiterentwicklung des Produktes zu einem „D-Ticket plus“ müssen jedoch grundlegende Finanzierungsfragen geklärt werden. Dabei sind mindestens drei Punkte zu berücksichtigen:
Erstens besteht eine Herausforderung in der potenziellen Finanzierungslücke, die ohne einen vollständigen Ausgleich der Einnahmeausfälle durch Bund und Länder entstehen könnte. Allein für das Jahr 2024 könnte sich diese Lücke auf bis zu einer Milliarde Euro belaufen, ein unternehmerisch nicht tragbares Risiko für die deutschen Verkehrsunternehmen.
Zweitens ist eine längerfristige Planungssicherheit für die Verkehrsunternehmen notwendig. Die derzeitige Unsicherheit darüber, wie lange die von Bund und Ländern zugesagten Mittel zur Deckung der Verluste ausreichen, ist problematisch. Es bedarf einer zügigen und gemeinsamen Diskussion über eine dauerhaft tragfähige Finanzierung des Deutschland-Tickets.
Schließlich muss ein Index für die Preisentwicklung entwickelt werden. Dieser sollte den monatlichen Ticketpreis auf Basis der tatsächlichen Preis- und Kostenentwicklung bestimmen, um politisch unabhängige und marktorientierte Preisanpassungen zu ermöglichen.
Jetzt ist die Zeit für Investitionen
Die positive Entwicklung der Fahrgastnachfrage macht deutlich, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um umfassend in die Modernisierung und den Ausbau des ÖPNV zu investieren. Um die notwendigen Fahrgastzuwächse und die Klimaschutzziele zu erreichen, müssen Bus und Bahn als integriertes System über Stadt- und Gemeindegrenzen hinweg gestaltet und gestärkt werden.
Doch die Aufgabe ist groß: So beziffert eine Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik allein den Nachhol- und Ersatzbedarf bei der ÖPNV-Infrastruktur bis zum Jahr 2030 auf 64 Milliarden Euro. Der Branchenverband VDV fordert daher eine jährliche Aufstockung der GVFG-Mittel für den Ausbau und die Modernisierung der kommunalen ÖPNV-Netze auf mindestens drei Milliarden Euro ab 2025, um den gestiegenen Anforderungen und dem Investitionsbedarf gerecht zu werden.
„Die Resonanz auf das Deutschland-Ticket ist ein Beleg für die Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs“
Diese Zahlen verdeutlichen den dringenden Handlungsbedarf, um die Verkehrswende erfolgreich zu gestalten und den ÖPNV als Rückgrat einer nachhaltigen Mobilität zu stärken. Ein wichtiger Baustein ist außerdem der Deutschlandtakt: Vollständig umgesetzt ist er eine Voraussetzung für die enge Verknüpfung von Nah- und Fernverkehr – und dafür, die Fahrgastzahlen im Schienenpersonenverkehr zu verdoppeln.
Neben den Investitionen müssen auch die zusätzlichen Fahrleistungen auf den Strecken bezahlt werden. Eine vollständige Refinanzierung dieser Aufwände über die durch Neukunden hinzukommenden Fahrgelderlöse ist spätestens seit Einführung des Deutschlandtickets nicht mehr möglich.
Es braucht eine Strategie für nachhaltige Mobilität
Die positive Resonanz auf das Deutschland-Ticket und der Anstieg der Fahrgastzahlen im Jahr 2023 sind ein Beleg für die Attraktivität und die Notwendigkeit dieses Angebots. Doch die Erholung der Fahrgastzahlen geht einher mit steigenden Betriebskosten und sinkenden Einnahmen, was den wirtschaftlichen Druck auf die Branche extrem erhöht.
Eine umfassende verkehrspolitische Strategie, die Investitionen in die Modernisierung und den Ausbau des ÖPNV einschließt, ist unerlässlich, um eine nachhaltige, effiziente und gerechte Mobilitätslandschaft zu fördern. Es bedarf darum einer gemeinsamen Anstrengung aller Beteiligten, um die Herausforderungen zu bewältigen und die Chancen, die das Deutschland-Ticket bietet, voll auszuschöpfen.
Nur durch eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Verkehrsunternehmen, politischen Entscheidungs-trägern und der Öffentlichkeit können wir die Mobilitätswende in Deutschland erfolgreich gestalten und die Ziele einer nachhaltigen und zugänglichen Mobili-tät für alle erreichen.
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