Wie die Bahnbranche nach Außen attraktiver und die Qualifizierung von Nachwuchskräften und Einsteigern unter den heutigen Anforderungen und Bedingungen gestaltet werden kann, das war eines der Themen auf dem Symposium für Betriebsleiter*innen des Verbands Deutscher Eisenbahnfachschulen. Den anwesenden betrieblichen Führungskräften von NE-Bahnen bot der Gastgeber einen vielfältigen Programm-Mix aus Branchentrends, Betrieb und Technik sowie dem Eisenbahnrecht.
Als erste Referentin konnte Gastgeberin Marion Buchholz Prof. Corinna Salander begrüßen, damals noch in ihrer Funktion als Direktorin des Deutschen Zentrums für Schienenverkehrsforschung (DZSF), die zu Jahresbeginn ins Bundesverkehrsministerium (BMDV) gewechselt ist. Sie stellte in ihrer Keynote den Ursprung, Aufbau und Struktur des DZSF vor und erläuterte, was unter dem Begriff Ressortforschung zu verstehen ist: Anwendung- und problemorientierte Forschung im Auftrag der Politik, die Antworten auf aktuelle und vor allem zukünftig relevante Themen und Fragestellungen gibt. Das DZSF arbeitet dazu in interdisziplinären Teams und berät die Eisenbahn-Gruppe im BMDV.
Engagiert und enthusiastisch wurde Frau Salander, als es um das für den Sektor zentrale Thema Fachkräfte und Nachwuchs-Gewinnung ging. Sie rief dazu auf, im beruflichen wie privaten Umfeld über die Arbeit und die beruflichen Möglichkeiten in der Bahnbranche zu sprechen, um „den Schienenverkehr nahbar“ zu machen. Wie eine erfolgreiche Image-Korrektur gelingen kann, zeige sich am Beispiel der viel beachteten Social Media-Kampagnen der Berliner Verkehrsbetriebe.
In der anschließenden Diskussion teilte Salander hingegen nicht die Meinung einiger Teilnehmender, dass die Branche auch deswegen so „unsexy“ sei, weil die Mitarbeitenden mit immer komplexeren Regelwerken und Vorschriften überfordert würden. Einige der Anwesenden, die in ihren Unternehmen selbst ausbilden, waren sich aber einig, dass es im operativen Bereich heute oft an Systemwissen fehlt und der Blick aufs Ganze verloren geht, auch weil die Mitarbeitenden einen anderen beruflichen Hintergrund haben und nicht mehr unbedingt einen technischen Beruf erlernt haben, bevor sie in den Bahnunternehmen anfangen.
Aktuelles aus dem Eisenbahnrecht
Seine Premiere beim VDEF-Symposium gab Markus Ring, der Michael Fabian als Fachbereichsleiter Eisenbahnrecht beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) nachgefolgt ist. Sein Vortrag bot den gewohnten Überblick aus gesetzlichen Neuerungen, Gerichtsentscheidungen und der Arbeit der bahnrelevanten Behörden. Darunter war die in diesem Jahr zu erwartende Novellierung der Triebfahrzeugführerschein-Verordnung, die aus Sicht des VDV dringend geboten ist, um dem technischen Fortschritt, aber auch dem Ziel der Nachwuchsgewinnung gerecht zu werden.
Mit Blick auf die prioritäre Trassenvergabe für versorgungsrelevante Energietransporte (siehe dazu ausführlich den Leitartikel in Deine Bahn 1/2023) sagte Ring in Richtung der EVU, es handle sich dabei vor allem um ein politisches Signal, dessen konkrete Auswirkungen abzuwarten sind. Seit September sind einige Trassenanmeldungen beim Netzbetreiber eingegangen, die aber alle im vorgesehenen Zeitfenster geregelt werden konnten.
Zur Aufmerksamkeit riet Ring bei zwei weiteren Themen aus der aktuellen Rechtsprechung. Vor dem Hintergrund gestiegener Rohstoff- und Energiekosten kann sich für Unternehmen die Frage stellen, ob eine Auflösung langfristiger Lieferverträge möglich ist, wenn die Preise deutlich über den vertraglich vereinbarten liegen. Ein mögliches Argument kann dabei der sogenannte Wegfall der Geschäftsgrundlage sein, ob aber die dafür erforderlichen Voraussetzungen etwa durch Ereignisse wie den Ukraine-Krieg oder die Corona-Pandemie erfüllt werden, ist derzeit unklar.
Bei der Vegetationskontrolle an Schienenwegen erwartet der Rechtsexperte des VDV, dass sich einige Urteile aus dem Straßenverkehr auch auf Bahnunternehmen auswirken könnten. Die Gerichte hatten in Urteilsbegründungen zu Fällen, in denen Sachen oder Personen durch herabgestürzte Bäume zu Schaden gekommen waren, die Auffassung vertreten, dass die Natur nicht vollständig beherrschbar und es demzufolge nicht möglich sei, den Verkehr vollkommen risikofrei zu gestalten.
Sicherheitskultur im Wandel
Am zweiten Tag sprach Hans-Georg Christiansen vom Schienenlogistiker duisport rail über Arbeitsschutz und Unfallprävention. Über die bekannten Probleme im betrieblichen Alltag, wie das Nichtbeachten von Sicherheitsvorschriften bei Arbeiten im Gleisbereich, unvollständige Schutzausrüstung oder falsch angelegte Arbeitskleidung, sowie die Bedeutung einer gelebten Sicherheitskultur in Unternehmen hatte der Referent bereits mehrfach beim VDEF-Symposium berichtet, stets unterlegt mit anschaulichen Beispielen aus der Praxis.
Neu hinzugekommen seien Faktoren wie die Ablenkung durch die Nutzung digitaler Medien am Arbeitsplatz oder die sinkende Wertschätzung gewerblich-technischer Berufe in der Gesellschaft, so Christiansen bei seinem diesjährigen Vortrag. Vor zunehmende Herausforderungen stelle die Unternehmen die Umsetzung von Maßnahmen im Rahmen der menschlich-organisatorischen Faktoren: Auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden zugeschnittene Angebote werden bei Unternehmens-Audits positiv gewichtet, sind aber oft aufwändig und nicht immer im Einklang mit den Erfordernissen der internen Arbeitsabläufe.
Christiansen betonte die Rolle der Eigenverantwortung der Mitarbeitenden, die zwar geschult und eingewiesen, aber nicht permanent von den Führungskräften überwacht werden könnten. Auch das Eisenbahn-Bundesamt müsse seine Aufsichtsfunktion stärker wahrnehmen und vor Ort festgestelltes Fehlverhalten selbst sanktionieren, statt dies an die Unternehmensführungen zu delegieren. Eine Auffassung, die der Moderator des Symposiums, Horst-Peter Heinrichs, nicht uneingeschränkt teilen wollte.
Automatisierung mit Augenmaß
Dass die Hochschulen mit Bahnbezug auf dem Symposium nicht zu kurz kamen, dafür sorgten die Professoren Raphael Pfaff und Bernd Schmidt von der Fachhochschule Aachen. Sie stellten Lösungen für automatisiertes und assistiertes Fahren bei der Bedienung von Gleisanschlüssen vor, darunter das System SAMIRA für das Rangieren von Güterzügen.
Sehr naheliegend ist, dass der Fachkräftemangel insbesondere bei betrieblichen Personalen einen wachsenden Bedarf für Automatisierung schafft. Gleichzeitig sind die realen Bedingungen für den Einsatz solcher Systeme nach wie vor eine nicht unerhebliche Herausforderung, machten Pfaff und Schmidt deutlich: So sind hochperformante Sensoren zur Umfelderkennung bei KI-Anwendungen zwar inzwischen am Markt verfügbar, aber aktuell nur zu Preisen, die eine Vollautomatisierung wirtschaftlich nicht vertretbar machen. Hinzu kommt, dass die Zulassungsverfahren sehr hohe Anforderungen an die erforderlichen Sicherheitsnachweise stellen.
Die Teilautomatisierung betrieblicher Abläufe unter menschlicher Aufsicht und Kontrolle oder zur Unterstützung der ausführenden Mitarbeitenden kann für viele Unternehmen einen guten Kompromiss zwischen den anfallenden Kosten und Anfangsaufwänden auf der einen und den längerfristig zu erwartenden Einsparungen und Effizienzgewinnen auf der anderen Seite bieten.
Das kommende VDEF-Symposium findet voraussichtlich im November 2023 statt. Der Bahn Fachverlag ist Medienpartner.
Artikel als PDF laden