Kurz, kompakt und digital – unter diesem Motto stand der Kongress für Eisenbahnbetriebsleiter von DB Training, Learning & Consulting, der im November 2020 erstmalig in verkürzter Form als reines Online-Event stattfand. Im Fokus standen drei Präsentationen zu den Themen Fachkräftemangel, IT-Sicherheit und betriebliches Zielbild.
Es war für alle Beteiligten eine Premiere, und ein bisschen Aufregung war auch dabei, wie Gastgeberin und Moderatorin Sylke Schmidt von DB Training in ihrer Begrüßungsrede gestand. Schmidt sprach von einer schweren, aber unter den Umständen einzig richtigen Entscheidung, in diesem Jahr ein virtuelles Format für das traditionelle jährliche Treffen der Eisenbahnbetriebsleiter und Sicherheitsmanager zu wählen. Auf das sonst übliche Rahmenprogramm und die Gelegenheiten zum persönlichen Austausch musste verzichtet werden, weshalb sich der auf einen halben Tag komprimierte Kongress auf drei aktuelle Schwerpunkte konzentrierte, die die Deutsche Bahn und den Bahnsektor als Ganzes beschäftigen. Die Referenten waren per Livestream zu sehen und zu hören, die Teilnehmenden hatten die Möglichkeit, in einem Kommentarfeld ihre Fragen einzugeben, die von der Moderatorin ausgewählt und von den Referenten beantwortet wurden.
Herausforderungen der Personalgewinnung
Den Anfang machte Wolfgang Servas von DB Regio. Vom Beispiel Süddeutschlands ausgehend, beschrieb er die Herausforderungen für die Fachkräftegewinnung der Bahn vor dem Hintergrund der Entwicklung am Arbeits- und Wohnungsmarkt. Bayern steht exemplarisch für die Situation in den deutschen Boomregionen, die von niedrigen Arbeitslosenzahlen (mit Ausnahme Berlins), hohen Lebenshaltungskosten und der Knappheit an bezahlbarem Wohnraum geprägt ist. Neben dem Problem, dass ausgeschriebenen Stellen in diesen Regionen zumeist wenig Arbeitssuchende oder geeignete Bewerber gegenüberstehen, wirken Wohnraum und Gehalt als begrenzende Faktoren bei der Personalgewinnung: Vor allem die stark nachgefragten, im Schichtdienst tätigen operativen Beschäftigte müssen in der Regel nah am Einsatzort wohnen und einen relativ hohen Anteil ihres Einkommens für die Miete aufbringen.
Einen ersten Ansatz verfolgt die Bahn mit der Wiederaufnahme ihres Wohnraumprogramms für Beschäftigte. In München und Stuttgart laufen erste Projekte, in denen die Bahn geeignete Objekte anmietet oder Belegungsrechte erwirbt und Wohnungen zu reduzierten Mieten an Mitarbeiter und Auszubildende vergibt. Die verstärkte Rekrutierung im Ausland ist ein weiterer Baustein. Hier hat DB Regio in Bayern positive Erfahrungen mit der Anwerbung und Ausbildung von Triebfahrzeugführern aus Osteuropa gemacht. Nicht zu unterschätzen ist laut Wolfgang Servas eine gelingende Integration in beruflicher wie privater Hinsicht, was eine intensive Begleitung und Betreuung der Bewerber erforderlich macht.
Was die Folgen von Corona-Pandemie und beschleunigter Digitalisierung bringen, ist noch nicht vollständig absehbar. So sind zwar auch in Verkehrs- und Logistikberufen mehr Menschen auf Arbeitssuche, allerdings zögerten viele Menschen noch damit, sich in unsicheren Zeiten beruflich neu zu orientieren oder umzuziehen, so Servas. Entspannung auf dem privaten Wohnungsmarkt in den Ballungsräumen sei ebenfalls nicht zu erwarten. Der Digitalisierungsschub bringe für Recruiting und Qualifizierung neue Möglichkeiten, Servas sieht aber auch Einschränkungen, wenn auf Präsenzanteile ganz verzichtet werden muss.
IT-Security: Erfolgsbaustein der Digitalisierung
Mit der Ausweitung der Digitalisierung in sicherheitskritische Bereiche von Schieneninfrastruktur und Bahnbetrieb wird die IT-Sicherheit beziehungsweise Cybersecurity immer wichtiger. Darum ging es im zweiten Vortrag von Max Schubert, der sich bei der DB Netz AG in leitender Funktion mit diesem Thema befasste und inzwischen als Geschäftsführer des Unternehmens Incyde tätig ist.
Laut einem Bericht des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) haben im Jahr 2019 drei Viertel aller Unternehmen von Problemen mit der IT-Sicherheit berichtet. Das BSI verpflichtet Betreiber kritischer Infrastrukturen (KRITIS) mit einer Verordnung auf Basis des IT-Sicherheitsgesetzes, geeignete Vorkehrungen gegen Störungen der Integrität, Vertraulichkeit und Verlässlichkeit ihrer IT-Systeme zu treffen. Dazu gehören unter anderem die regelmäßige Durchführung von Risikoanalysen und eine schnelle Reaktionsfähigkeit zur Erkennung und Abwehr von Bedrohungen. Das BSI kann Verstöße mit Bußgeldern ahnden, bietet aber auch Beratung an.
Max Schubert stellte klar, dass IT-Sicherheit Chefsache ist und zusätzlich zu Wirtschaftlichkeit oder Leistungsfähigkeit ein weiterer wesentlicher Faktor in der Durchführung des Bahnbetriebs geworden ist. Die Verantwortung für diese Aufgabe kann in Bahnunternehmen an den Eisenbahnbetriebsleiter übertragen werden. Schubert stellte in seinem Vortrag die wesentlichen Schritte bei der Umsetzung der KRITIS-Verordnung vor und gab Beispiele für typische Sicherheitsprobleme. Besonders ging er dabei auf das sogenannte Social Engineering ein: Da die technischen Systeme heute eine hohe Sicherheit aufweisen, beginnen Cyberangriffe sehr häufig bei den Mitarbeitern der Unternehmen – die Herstellung eines entsprechenden Gefahrenbewusstseins und einer Kultur der Aufmerksamkeit (Awareness) ist daher eine wichtige Aufgabe.
Schubert betonte, dass IT-Sicherheit kein Geld verdiene, sondern Geld koste, sie aber unverzichtbar für eine erfolgreiche Digitalisierung sei, da sie langfristig die Sicherheit der Investitionen des Unternehmens und des Vertrauens der Kunden gewährleistet.
Betriebliches Zielbild: Der Weg in die digitale Zukunft
Die Digitalisierung des Bahnbetriebs stand auch im Zentrum des abschließenden Vortrags von Dirk Menne, Leiter Betriebssteuerung bei der DB Netz AG. Ausgehend vom Beginn der Umsetzung des Programms „Digitale Schiene“ (DSD) im vergangenen Jahr hat der Infrastrukturbetreiber das Betriebliche Zielbild (BZB) 1.0 erstellt. Es sieht fünf Leitplanken für die zukünftige Gestaltung des Betriebs vor: die Steigerung der Kapazität im Schienennetz, die Erhöhung der Benutzerfreundlichkeit für das Betriebspersonal, die Vereinheitlichung des Regelwerks, die Kompatibilität der betrieblich-technischen Anforderungen mit den EU-Vorgaben und den Vorrang harmonisierter vor nationalen Regeln.
Menne benannte zahlreiche nützliche Effekte eines digitalisierten Bahnbetriebs, wie den Beitrag zum Klimaschutz und zur EU-weiten Harmonisierung des Bahnverkehrs, die Erhöhung von Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit, die Senkung von Instandhaltungs- und Personalkosten, die schnellere Behebung von Störungen oder die Reduzierung von Komplexität im System. Er verwies auch auf verschiedene Beispiele für die technische Umsetzung, wie den digitalen Befehl für Triebfahrzeugführer, die virtuelle Blockteilung oder die Vereinheitlichung der Bahnübergangstechnik. Die Verwirklichung der Grundsätze des BZB und seine kontinuierliche Weiterentwicklung sind Voraussetzung für das Gelingen der Umsetzung des gesamten DSD-Programms, machte Menne deutlich.
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